Prozess wegen Misshandlung: Freispruch für Arzt

Der oststeirische Arzt, der jahrelang seine vier Kinder gequält und bedroht haben soll, ist am Freitag - für viele Beobachter überraschend - freigesprochen worden. Die Entscheidung des Einzelrichters ist vorerst nicht rechtskräftig.

Dem Angeklagten war vorgeworfen worden, seine vier Kinder jahrelang gequält zu haben. Er soll sich selbst Verletzungen zugefügt und sie dann gezwungen haben, ihm zu helfen. Der Beschuldigte stritt alles ab und sprach von einer „unerträglichen Situation“ wegen Ehestreitigkeiten.

Richter sieht „verspäteten Rosenkrieg“

Der Richter führte in seiner Urteilsbegründung aus: „Es ist zwar in der Familie viel passiert, aber aus den Akten und den heutigen Aussagen findet man keinen Anhaltspunkt, dass die Handlungen mit derartiger Intensität begangen wurden, dass es strafbar ist.“

Der Richter sah in den Vorwürfen der Familienmitglieder vielmehr einen „verspäteten Rosenkrieg nach der Scheidung“. Die Frau habe - mit Hilfe der Kinder - versucht, dem angeklagten Arzt etwas in die Schuhe zu schieben. Seine Praxis ist derzeit geschlossen, eine endgültige Entscheidung der Ärztekammer steht noch aus.

Kinder sechs Stunden lang befragt

Die Kinder, mittlerweile alle erwachsen, hatten den Vater, der der Bruder eines Spitzenpolitikers ist, zwei Jahre nach der Scheidung angezeigt, weil er sie nach ihren Angaben jahrelang verbal und psychisch gequält habe. Sie wurden am Freitag sechs Stunden lang befragt. Alle vier weinten und taten sich sichtlich schwer, die Ereignisse zu schildern.

Von Ärzteliste gestrichen

Gegen den Arzt wurde auch ein Berufsverbot verhängt, im September wurde er von der Ärzteliste gestrichen - mehr dazu in Oststeirischer Arzt von Ärzteliste gestrichen (8.9.2017)

Die Mutter gab an, sie habe erst ein Jahr nach der Scheidung vom ganzen Ausmaß der Ereignisse erfahren. „Wie es den Kindern gegangen ist, habe ich erst nach der Scheidung erfahren. Sie haben erst da begonnen, ohne Ende zu erzählen.“ Zwei ihrer Kinder „haben ihn nicht gemocht“, erzählte sie. „Er konnte sehr abwertend sein“, schilderte sie. Wenn die dritte Tochter - die er am meisten gequält hatte - zu ihm gesagt habe: „Papa, ich liebe dich“, antwortete er laut Ex-Frau: „Ich mich auch.“

Sohn: „Traue ihm alles zu“

Der Sohn des Angeklagten meinte in Bezug auf seinen Vater: „Ich traue ihm alles zu.“ Die Angst der Kinder sei erst weniger geworden, als die Sache an die Öffentlichkeit gelangt war. „Da konnten die Behörden nichts mehr vertuschen“, war er überzeugt. Sein Vater, den er als „sadistische, perverse Kreatur“ bezeichnete, habe seine gesamte Kindheit zerstört.

Die letzte der befragten Töchter wirkte, als würde ihr das Erinnern schwerfallen. „Ich war mit 14 schon depressiv“, erzählte sie. Sie habe ständig Angst davor gehabt, dass sich ihr Vater umbringen würde. Dann kam die Befürchtung dazu, dass er auch ihr und ihren Geschwistern etwas antun könnte. Bis heute ist das so geblieben. „Ich hab’ jeden Tag Angst, und das wird auch so bleiben, solange dieser Mensch lebt.“ Mehr dazu in Arzt vor Gericht: „Das ist kein Mensch“.

Angeklagter: „Stand unter großem Druck“

Der Angeklagte erklärte im Jänner, er sei „unter großem Druck“ gestanden, weil er so viel arbeiten und den Haushalt versorgen musste; die von seiner Frau erhobenen Anschuldigungen seien falsch und nur durch ihre Eifersucht begründet. Um etwas klarer zu sehen, gab der Richter ein psychiatrisches Gutachten in Auftrag - mehr dazu in Kinder misshandelt? Prozessfortsetzung im Herbst (27.7.2017): Demnach wurde er als zurechnungsfähig eingestuft.