Hohe Dunkelziffer bei sexueller Belästigung
Es sind Frauen in ganz normalen Jobs, die Hilfe suchen, schildert die Frauenbeauftragte der Arbeiterkammer, Bernadette Pöchheim: „Die häufigsten Beschwerden haben wir im Gastgewerbebereich und im Dienstleistungsbereich - da sind wir sehr oft mit Arbeitnehmerinnen konfrontiert, die vom Vorgesetzten bzw. auch von einem Gast sexuell belästigt werden.“
100 Beschwerden pro Jahr
Bei der steirischen Arbeiterkammer gehen pro Jahr etwa 100 Beschwerden ein - rund ein Viertel davon lande beim Arbeitsgericht, den Rest könne man außergerichtlich klären. Die Dunkelziffer dürfte laut Experten jedoch weit höher liegen.
„Selbst Sicher!“
Viele Beratungsstellen in der Steiermark haben das Land Steiermark und die Stadt Graz in der Informationsbroschüre „Selbst Sicher!“ zusammengefasst.
Außergerichtliche Lösungen sucht man - so gewünscht - auch bei der in der Steiermark ausschließlich mit Frauen besetzten Gleichbehandlungsanwaltschaft, die in der Steiermark im Vorjahr 20 Fälle bearbeitet hat, so Susanne Priesching: „Man kann sich ein Gespräch erwarten, das Angebot erwarten, dass wir an die Gegenseite herantreten und sie schriftlich mit den Vorwürfen konfrontieren und auch um eine Stellungnahme bitten, ob eine Bereitschaft zu einem allfälligen Vergleich oder einer gütlichen Lösung außerhalb des Rechtswegs besteht.“
Zahlreiche Anlaufstellen
Knapp 20 Vorwurfsfälle wegen sexueller Belästigung hat man bei der zu einem Drittel mit Männern besetzten Gleichbehandlungsstelle des Landes in den vergangenen drei Jahren behandelt - dort ist man für Landes-, Gemeinde- und KAGes-Bedienstete zuständig. Mehr als 30 Betroffene wandten sich im Vorjahr wegen sexueller Belästigung abseits des Berufslebens an die Antidiskriminierungsstelle und meldeten, „dass es vielleicht einen Pograpscher gegeben hat oder einen Busengrapscher beim Vorbeigehen; dass das in der Diskothek passiert ist oder auf der Straße am helllichten Tag“, so deren Leiterin Daniela Grabovac.
Grauzone sexuelle Belästigung
Sexuell belästigt werden übrigens nicht nur Frauen, sondern auch - zu einem weit geringeren Teil - Männer. Für alle Betroffenen, auch Kinder, werden in der Steiermark zahlreiche Anlaufstellen tätig - mehr dazu in Sexuelle Belästigung: Beratung statt Schweigen (6.11.2017). Kann die oder der Betreffende glaubhaft darstellen, dass er belästigt wurde, muss der Beschuldigte nachweisen, dass der Vorwurf nicht stimmt.
Beschuldigter muss Unschuld nachweisen
Das widerspricht dem Grundsatz, dass man so lange als unschuldig gilt, bis einem die Schuld bewiesen ist: „Die Unschuldsvermutung ist natürlich ein tragender Grundsatz des Rechtsstaatsprinzips, aber in diesem Fall ist auch zu sehen, dass es hier eben um die Bekämpfung von strukturellen Benachteiligungen und Diskriminierungen geht“, sagt der Jurist Joseph Marko.
„Vorstände sollen Vier-Augen-Gespräche meiden“
Dementsprechend reagiere man auch in der Privatwirtschaft, so Marko: „Da kommt es nun durchaus vor, dass entsprechende Vorstände von größeren, auch international tätigen Firmen mit mehreren hundert Mitarbeitern und Angestellten mir erzählt haben, dass die Leiter ihrer Rechtsabteilungen sie aufmerksam machen, sie sollen sich hüten, nur unter vier Augen mit jemandem zu sprechen oder dementsprechend auch nur im Lift zu fahren, weil das dann eben gefährlich ist, weil dann Aussage gegen Aussage gegenübersteht und nichts mehr aufzuklären ist.“
Links:
- „Selbst Sicher!“-Broschüre
- Beratungsstelle Tara
- Gewaltschutzzentrum Steiermark
- Helpchat - reine Onlineberatung
- Frauenhelpline
- Männernotruf
- Frauengesundeheitszentrum Graz
- Akzente Frauenservice Voitsberg und Deutschlandsberg
- Verein Avalon Bezirk Liezen
- Frauen- und Mädchenberatung Hartberg/Fürstenfeld
- Mafalda
- Hazissa - Prävention sexualisierter Gewalt
- Netzwerk gegen sexualisierte Gewalt