Drittes Geschlecht auch in Österreich gefordert

Das Bundesverfassungsgericht in Deutschland hat ein drittes Geschlecht für den Eintrag in das Geburtenregister gefordert. In Österreich ist ein ähnlicher Fall gerichtsanhängig. In der Kritik steht hierzulande auch die anpassende Operation.

Sie sind weder weiblich noch männlich - Tausende intersexuelle Menschen in Österreich: Jedes Jahr werden bis zu 35 Babys ohne eindeutiges Geschlecht geboren.

Geschlechtliche Identität leben

Noch gibt es für sie in Österreich keinen rechtlichen Status. Europaweiter Vorreiter in dieser gesellschaftspolitischen Frage könnte Deutschland werden: Das Bundesverfassungsgericht hat am Mittwoch ein drittes Geschlecht für den Eintrag in das Geburtenregister gefordert - mehr dazu in Deutschland „bekommt“ drittes Geschlecht (news.ORF.at). Damit soll intersexuellen Menschen ermöglicht werden, ihre geschlechtliche Identität positiv einzutragen und nicht zugeteilt zu werden, wie es in Österreich üblich ist.

Zuteilung nach größerer Nähe

Kommt in Österreich derzeit ein Baby auf die Welt, das sich weder genetisch noch hormonell oder anatomisch einem bestimmten Geschlecht zuordnen lässt, wird es einem Geschlecht zugeteilt - und zwar jenem Geschlecht, dem es zu diesem Zeitpunkt aus medizinischer Sicht am nächsten ist.

„Brauchen eigenen Personenstand“

Was folgt, ist eine geschlechtsanpassende Operation noch im Babyalter. Diese kritisiert Luan Pertl vom Verein Intergeschlechtliche Menschen Österreich mit Sitz in Linz: „Es ist einfach ganz wichtig, dass man die Babys, die Kinder aufwachsen lässt, so wie sie sind, und wie sich ihr Körper entwickelt. Dafür benötigen wir einen Personenstand für intergeschlechtliche Menschen, Leitlinien in der Medizin und eine Gesellschaft, die uns anerkennt, respektiert und sieht.“

„Muss selbstbestimmte Entscheidung sein“

Für ein drittes Geschlecht und gegen diese, wie er sagt, „Zwangsoperationen“ setzt sich auch Johannes Wahala ein - er ist Leiter der Beratungsstelle Courage in der Grazer Plüddemanngasse und Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Sexualwissenschaften.

„Was ist, wenn das Kind geschlechtseindeutig zum Beispiel männlich operiert wurde und sich später in der Entwicklung in der innerpsychischen und sozialen Entwicklung genau ins andere Geschlecht entwickelt? Das ist für diese Personen ein massives Trauma. Das muss die autonome und selbstbestimmte Entscheidung dieser Person sein“, so Wahala.

Eltern entlasten

Die Möglichkeit, ein drittes Geschlecht in die Geburtsurkunde einzutragen, würde auch Eltern druckentlasten, so Wahala. Betroffene in Österreich hoffen nun, dass die Verfassungsrichter in Österreich das deutsche Urteil für Rechtssicherheit von Intersexuellen nicht einfach ignorieren. Ein Verfahren ist seit eineinhalb Jahren am Landesgericht Linz anhängig, das bereits in zwei Instanzen negativ, also gegen ein drittes Geschlecht in der Geburtsurkunde, entschieden wurde.

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