Richter-Präsidentin kritisiert Arzt-Freispruch

Die neue Präsidentin der Richtervereinigung übt Kritik an der Urteilsbegründung im Fall des oststeirischen Arztes, dem vorgeworfen wurde, seine Kinder misshandelt zu haben. Sie sehe einen Verstoß gegen die Ethikerklärung.

Die Urteilsbegründung zum (nicht rechtskräftigen) Freispruch des steirischen Arztes, der seine Kinder gequält haben soll, entspricht nicht der Welser Ethikerklärung der Richtervereinigung. Das stellte deren neue Präsidentin Sabine Matejka Samstag im ORF-„Mittagsjournal“ fest. Diese Erklärung gebiete eine sachliche Äußerung und dass Richter den Parteien gegenüber höflich und korrekt bleiben.

Richter bewertete Kleidung und Auftreten

Der Richter zeigte beim Prozess und in seinem Urteil sehr viel Verständnis für den angeklagten Arzt und sehr wenig für dessen Ex-Frau und die Kinder - mehr dazu in Prozess wegen Misshandlung: Freispruch für Arzt (29.9.2017) und Kinder nach Arzt-Freispruch verzweifelt (3.10.2017). In der Urteilsbegründung machte der Richter dann gar kein Geheimnis daraus, was ihm an den Familienmitgliedern missfallen habe, etwa die Art, wie sie sich angezogen haben oder auch generell der Lebensstil der Ex-Frau - mehr dazu in Urteilsbegründung bewertete Optik der Zeugen (22.11.2017).

Ethische Leitlinien vorgegeben

Dass diese Ausführungen öffentlich kritisiert wurden, könne sie „persönlich verstehen und auch nachvollziehen“, sagte Matejka. Wenn sie diese Äußerungen an den Grundsätzen der Ethikerklärung messe, sei das Gebot der Fairness nicht erfüllt. Allfällige dienstrechtliche oder disziplinäre Maßnahmen wären allerdings Sache des Dienstgebers.

Die 2007 beschlossene Welser Erklärung gibt den Richtern ethische Leitlinien für die Berufsausübung - wie Fairness, Äquidistanz, keine Mitgliedschaft bei politischen Parteien - vor. Zum Punkt Fairness steht darin: „Wir begegnen Verfahrensbeteiligten sachlich, respektvoll und äquidistant und gewähren ihnen ausgewogenes Gehör.“

Sachverhaltsdarstellung gegen Richter eingebracht

Die Kinder haben bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft Sachverhaltsdarstellungen gegen den Richter und den Staatsanwalt eingebracht - und sehen ihren Eindruck bestätigt, dass „wir aufgrund des prominenten Namens unseres Vaters kein rechtsstaatliches Verfahren erwarten können“. SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim will von Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) in einer parlamentarischen Anfrage wissen, ob er die Berufung gegen den Freispruch anweist, falls die Staatsanwalt das angemeldete Rechtsmittel doch nicht einlegt.