Experten: Hilfe erreicht Pflegende oft zu spät

Nach der Familientragödie vom Samstag, bei der ein Pensionist seine pflegebedürftige Frau und sich selbst erschossen hat, sagen Experten, dass pflegende Angehörige Hilfe oft aus Scham nicht annehmen, auch würde Hilfe sie zu spät erreichen.

In Judendorf-Straßengel nördlich von Graz hat sich am Samstag eine Familientragödie ereignet: Ein Pensionist erschoss zunächst seine Frau und anschließend sich selbst. Der 80-Jährige dürfte mit der Pflege überfordert gewesen sein - mehr dazu in Pensionist erschoss seine Frau und sich selbst.

Psychisch und physisch belastend

Jemanden zu pflegen ist oft körperlich und psychisch extrem belastend. 80 Prozent der Pflegebedürftigen in der Steiermark werden von Angehörigen zu Hause versorgt. Hildegard Brugger arbeitet seit 20 Jahren im Pflegedienst, zur Zeit bei der Caritas, sie kennt die Herausforderungen: „Das ist zu Hause oft eine rund um die Uhr Betreuung, das heißt, dass der Pflegende nicht nur am Tag Betreuung braucht, sondern auch in der Nacht oft - es ist dann so, dass da oft ein Schlafdefizit vom pflegenden Angehörigen ist, weil er permanent verfügbar sein muss.“

Hilfe für Helfer wichtig

Hilfe für die Helfer sei wichtig, heißt es bei der Caritas, Angehörige würden Unterstützung und Entlastung erhalten. „Damit die Angehörigen als Helfer wirklich helfen können, müssen sie selbst gestützt werden und dürfen selbst nicht in die Lage kommen, dass sie nicht mehr in der Lage sind zu helfen. Und alles was dafür getan werden kann, von Angeboten wie heb ich leichter, wie geh ich mit einem Rollstuhl um, wie schaff ich mir Freiräume, alles das unterstützt Angehörige in ihrer Hilfe“, so Petra Prattes von der Caritas.

Hilfe zu spät genutzt

Die Angebote seien flächendeckend da, sagte der Geschäftsführer der Volkshilfe, Franz Ferner, sie würden in vielen Fällen aber zu spät genutzt: „Das mit der Pflege zu Hause ist natürlich etwas, was in den persönlichen Bereich hineingeht: Für viele ist es ein großer Schritt zu sagen, ich hole mir Hilfe, ich gestehe mir ein, dass ich Hilfe brauche. Ich kann nur aus der Erfahrung sagen, die Menschen, die sich Hilfe geholt haben, in der Steiermark für Pflege und Betreuung, haben sich dann auch ein Stück Lebensqualität in einer sehr schwierigen Phase nach Hause geholt.“

Case-Manager sollen helfen

In der Steiermark sind die Bezirke Weiz und Hartberg-Fürstenfeld mit ihrem Case-Management neben dem Bezirk Deutschlandsberg Pilotregion. Case-Manager schauen sich - für die Betroffenen gratis - einzelne Fälle von Pflegebedürftigen an. Die Manager sollen eine Anlaufstelle für umfassende Beratung und Begleitung im Bereich der Pflege sein - mehr dazu in Kritik an Pflegesystem: Land verspricht Hilfe(17.3.2017).