Diagonale-Eröffnung „wider Opportunismus“
Eröffnet wurde das Festival mit der Verleihung des Großen Schauspielpreises an Ingrid Burkhard - mehr dazu in Ingrid Burkhard erhält Großen Schauspielpreis (7.2.2018): „Ich bin immer ein bisschen verlegen, wenn gar so sehr in den Lobtopf gegriffen wird“, gab sie sich bescheiden.
APA / Erwin Scheriau
Die Schauspielerin erlangte als Toni Sackbauer in der Fernsehserie „Ein echter Wiener geht nicht unter“ großen Bekanntheitsgrad, war aber auch für Maren Ades Welterfolg „Toni Erdmann“ im Einsatz. Aktuell ist Ingrid Burkhard in Ronny Trockers „Die Einsiedler“ als Bergbäuerin Marianne im Kino zu sehen.
Doch die heiteren Momente blieben an dem Eröffnungsabend die Ausnahme - nicht zuletzt aufgrund politischer Brisanz ion Gegenwart und Vergangenheit: „Mich haben die letzten Wochen sehr aufgeregt, muss ich sagen. Ich bin ja noch Zeitzeugin, habe den ‚Anschluss‘ erlebt, das tausendjährige Reich überlebt“, so Burkhard.
Filmchronik eines Justizskandals zum Auftakt
Die Diagonale-Intendanten erläuterten in ihrer Eröffnungsrede, dass der Prozess, um den es in Christian Froschs Eröffnungsfilm „Murer - Anatomie eines Prozesses“ geht, laut Simon Wiesenthal „ein Zerrbild der Gerechtigkeit“ gewesen sei, der die „Opferfassade der österreichischen Nachkriegsjahre porös werden lässt“.
Selten sei die österreichische Seele „derart zur Kenntlichkeit entstellt“, hieß es in der Rede. Froschs Rekonstruktion der damaligen realpolitischen wie gesellschaftlichen Stimmung mache augenfällig, dass der radikale Bruch mit dem Denken, das zum Holocaust führte, hierzulande ausblieb - mehr dazu in Diagonale eröffnet mit „Murer“.
Prisma Film/Ricardo Vaz Palma
Man möchte sich aber ausdrücklich dagegen verwehren, „den Film auf plumpe tagespolitische Analogien zu reduzieren. Vielmehr ist ‚Murer‘ ein ideologiekritischer Film, ein Kunstwerk mit realer zeitgeschichtlicher Handlungsvorlage, das nicht darauf abzielt, Spiegel der Zeit zu sein, sondern versucht, die Nachkriegsstimmung visuell zu repräsentieren und vor allem zu reflektieren“, betonten die Intendanten.
Denn „wer in der aktuellen Politik eins zu eins eine Wiederholung der Geschichte sieht, hat nichts verstanden und spielt der Verharmlosung in die Hände“. Umso dringlicher sei hingegen die deutliche Kritik an antidemokratischen und antiliberalen Tendenzen, die allerorts immer mehr den Ton angeben würden.
„In der Politik zur Politik zurückkehren“
Höglinger und Schernhuber erklärten, sie möchten „zum Auftakt dieses Filmfestivals also eine Lanze dafür brechen, in der Politik zur Politik zurückkehren. Als Auseinandersetzung mit Argumenten, im respektvollen Streitgespräch, durch Meinungspluralismus wider den widerwärtigen Opportunismus. Mit einer Haltung, die jenen aktiv Paroli bietet, die Kommunikation pauschal torpedieren und Eigeninteressen über Meinungsaustausch stellen. Mit einer Haltung, die jenen aktiv Paroli bietet, deren Gesprächsführung ausschließlich ein heuchlerisches, taktierendes und durchschaubares Machtspiel ist.“
„Genauer Blick, präzise Analyse, stille Beobachtung“
Möglicherweise würden genau diese Überlegungen zurück zum Kino, zurück auf die Leinwand führen: „Dorthin, wo eine Gegenbewegung zu vorschneller Meinungsäußerung passieren kann, die sich auch für das alltägliche Zusammenleben fruchtbar machen lässt: Der genaue Blick, die präzise Analyse und die stille Beobachtung, in der die Gedanken auch mal ruhen dürfen, bevor Schlüsse gezogen werden, sind nämlich nicht selten Sache des Films“, schlossen die Intendanten.
167 Filme in sechs Tagen
Insgesamt werden an sechs Festivaltagen 167 Filme und Videos in 142 Vorstellungen gezeigt. Für den Wettbewerb wurden aus rund 500 Einreichungen 103 Filme ausgesucht - mehr dazu in Diagonale: Starke Frauen und neue Männlichkeit.
Links:
- Diagonale
- Diagonale 2018 (news.ORF.at)