Kritik an Abschiebung zweier afghanischer Frauen

Die Abschiebung von zwei afghanischen Frauen samt Kindern steht in der Kritik. Das Asylverfahren soll in Kroatien stattfinden. Laut dem Menschenrechtsexperten Wolfgang Benedek hätten die heimischen Behörden den Fall übernehmen können.

Die beiden alleinerziehenden Schwestern, die seit Februar 2016 mit ihren Kindern in einem Flüchtlingsquartier in Graz-Mariatrost lebten, wurden am Sonntag mit ihren insgesamt drei Kindern nach Kroatien abgeschoben. Die Familien waren integriert, alle sprachen gut Deutsch. Zwei Kinder besuchten bis vergangene Woche die Volksschule, ein Kind den Kindergarten.

Kroatien für Asylverfahren zuständig

Ihr Fall gelangte bis zum Europäischen Gerichtshof (EuGH). Aus grundsätzlichen Erwägungen habe der EuGH entschieden, dass nach der Dublin-Verordnung Kroatien für das Verfahren zuständig ist, weil die Frauen dort erstmals EU-Raum betreten haben, erklärt Menschenrechtsexperte Wolfgang Benedek, der eine der Frauen rechtlich betreute. Die österreichischen Behörden leisten mit der Abschiebung dem Entscheid des EuGH in Luxemburg Folge.

Heimische Behörden hätten übernehmen sollen

Wolfgang Benedek kritisiert, dass die österreichischen Behörden den Fall dennoch übernehmen hätten können: „Normalerweise sollte ein Dublin-Verfahren sechs Monate dauern, jetzt hat es zwei Jahre gedauert. Aufgrund dessen ist auch ein sehr hoher Integrationsstand vorhanden. Man hätte das Menschenrecht auf Familie heranziehen und sagen können, dass es unter diesen Umständen nicht menschenwürdig sei abzuschieben, wir übernehmen das Verfahren. Derzeit kommen ohnedies nicht mehr viele Flüchtlinge nach Österreich, man kann also nicht sagen, dass Österreich überlastet wäre."

„Menschliches Augenmaß“ gefordert

Auch die Generalanwältin des EuGH hatte vor dem Urteil die Meinung vertreten, dass in Ausnahmesituationen, wie dem Flüchtlingsstrom 2015/2016, nicht von illegaler Einreise gesprochen werden kann und das Aufnahmeland - also Österreich - auch die Verfahren abwickeln sollte. Der Menschenrechtsexperte fordert in Fällen wie diesen ein „menschliches Augenmaß“. Die Familie würde sich derzeit ohne Netzwerk und ohne eine Perspektive in einem Flüchtlingshotel in Zagreb befinden.

Kritik an Praktiken der Polizei

Darüber hinaus kritisiert Benedek auch die Praktiken der Polizei in solchen Fällen: „Diese Frauen mussten sich alle zwei Tage bei der Polizei melden, was an sich schon problematisch ist und wurden dann durch ein Aufgebot von 15 Polizisten bzw. Beamten abgeholt. Es wurde auch ein Hund dabei verwendet und in die Unterkunft gebracht. Das ist überschießend aus meiner Sicht und nicht notwendig." Auch eine notwendige ärztliche Untersuchung sei abgelehnt worden. Benedek brachte diesbezüglich eine Dienstaufsichtsbeschwerde ein, demnächst soll es einen Besprechungstermin mit der Polizei geben.

Irakische Familie wartet noch auf Bescheid

Für Schlagzeilen sorgte in den vergangenen Jahren auch der Fall einer gut integrierten irakischen Flüchtlingsfamilie aus Kumberg bei Graz. Sie hätte auch nach Kroatien abgeschoben werden sollen, konnte aber dann doch Asyl in Österreich beantragen - mehr dazu in Kumberger Flüchtlingsfamilie darf vorerst bleiben (26.9.2017). Mittlerweile wurde die weiße Karte, die ein Asylverfahren in Österreich gewährleistet, zugestellt, so Norbert Johne vom Verein „Kumberg - wir wollen teilen“ auf Anfrage. Die Familie sei aber noch nicht zu einem Erstgespräch eingeladen worden.