Paar soll jahrelang Kinder misshandelt haben

In Graz muss sich am Mittwoch ein Ehepaar vor Gericht verantworten, das zumindest drei der fünf Kinder jahrelang geschlagen und misshandelt haben soll. Dem Familienvater wird auch schwerer sexueller Missbrauch vorgeworfen.

Ruhig und sachlich verlas der Staatsanwalt die Vorwürfe - an der Schwere ändert das nichts. Über mehrere Jahre hinweg sollen Vater und Mutter die drei heute erwachsenen Kinder misshandelt haben: Schläge mit der Hand, Faust, einem Gürtel oder dem Staubsaugerrohr soll es bis zu fünf Mal die Woche für die Tochter und die Zwillingssöhne gegeben haben. Auch mit dem Kochlöffel, bis dieser brach. Mit „Drecksau“ und „Nutte“ sollen die Kinder - vor allem aber die älteste Tochter - beschimpft worden sein.

Vorwurf schweren sexuellen Missbrauchs

Hinzu kommt der Vorwurf des teils schweren sexuellen Missbrauchs. Der Familienvater, er arbeitet als Lkw-Fahrer, soll sich jahrelang an seiner Stieftochter vergangen haben. Morgens, vor der Arbeit, als die anderen Kinder und die Mutter noch schliefen. Das Mädchen war zum Zeitpunkt der sexuellen Übergriffe laut Staatsanwalt sieben Jahre alt - bis zu ihrem 14. Lebensjahr soll sie darunter gelitten haben.

Einer Lehrerin hatte sich das Mädchen mit 13 anvertraut. Von einer Anzeige nahm das Kind jedoch Abstand: „Haben Sie ihr gesagt: ‚Dann hat es Dir eh getaugt, Du Drecksau?‘“, zitierte die Richterin aus der Anklage. Die Beschuldigte bestritt diese Wortwahl. Sie habe ihrer Tochter nicht geglaubt. „Haben Sie ihr gesagt, dass der Vater dann ins Gefängnis muss und sie dann mit allen fünf Kindern alleine wären und sie die Wahrheit sagen soll? Haben Sie ihr ein schlechtes Gewissen eingeredet?“ Die Mutter gab zu, ihrer Tochter so etwas gesagt zu haben: „Aber das ist ja kein schlechtes Gewissen einreden. Ich wollte ihr nur aufzeigen, was passiert, wenn sie so was behauptet.“

Angeklagte sprechen von „Kinderunfällen“

Die Angeklagten beschrieben die Familie als harmonisch. Sie hätten selbst eine Kindheit voller Gewalt und Missbrauch erlebt und ihren Kindern nie wehgetan. So beschrieb sich der 46-Jährige selbst als fürsorglichen Vater. An die zahlreichen Krankenhausaufenthalte seiner Stieftochter könne er sich nicht erinnern. Die Mutter stärkte ihrem Mann den Rücken. Sie waren auch zu Beginn des Prozesses händchenhaltend in den Verhandlungssaal gekommen. Sie habe ebenfalls ein gutes Verhältnis zu den Kindern gehabt.

Egal ob Bauchschmerzen oder Kopfverletzungen, es habe sich immer um Kinderunfälle gehandelt, so die beiden Steirer am Mittwoch vor Gericht. Berichte von Spitalsärzten, Sozialarbeitern oder Lehrern, die ein anderes Bild zeichnen, seien erfunden oder falsch interpretiert. Darunter eine Schilderung der Fürsorge aus dem Jahr 1993, in der ein grauenhaftes Klima in der Familie beschrieben wurde, ebenso wie ein stark verschmutztes und zurückgezogenes Mädchen, Fetzen im Kinderbett und überforderte Eltern, die das nicht zugeben wollen.

„Irgendwann ist es genug“

Der Verteidiger kritisierte, dass das Ermittlungsverfahren noch gar nicht abgeschlossen sei, weil noch mehrere Zeugen vernommen werden sollten. Ihm zufolge hätten die Schläge und Übergriffe in der geschilderten Intensität gar nicht stattfinden können, ohne dass es jemand bemerkt hat: „Das ist lebensfremd.“

Die Aussagen der heute erwachsenen Kinder seien eine Intrige, eine Racheaktion, weil die Eltern ihnen den Geldhahn zugedreht hätten, so die 43 Jahre alte Mutter. „Irgendwann ist es genug. Jeder muss irgendwann auf den eigenen Beinen stehen“, rechtfertigte sich auch der Vater. Die Älteste zog mit 19 aus, die Zwillingsbuben mit 16 beziehungsweise 17. Beide Söhne seien in falsche Kreise geraten und deswegen seither beide schon mehrere Jahre in Haft gewesen.

Jahrelang kein Kontakt

Für die Richterin ergab der Erklärungsversuch der Eltern wenig Sinn: „Sie hatten ja schon jahrelang keinen Kontakt zu den drei älteren Kindern. Warum sollten sie sich jetzt deswegen rächen wollen?“ Der Vater blieb bei seiner Verantwortung. Auch die teils sehr beispielhaften Schilderungen der heute 27-Jährigen seien erlogen: „Ich war ja nie zu Hause, wie soll das funktioniert haben?“

Der Mutter drohen im Falle einer Verurteilung bis zu drei, ihrem Mann bis zu zehn Jahre Haft. Ein Urteil wird es am Mittwoch nicht geben, da noch zusätzliche Zeugen vor Gericht befragt werden sollen.