Prozess: Slowene tötete Frau bei Suizidversuch

Wegen Mordes bzw. versuchten Mordes muss sich ab Dienstag ein 38-jähriger Slowene am Straflandesgericht in Leoben verantworten. In selbstmörderischer Absicht soll er gegen den Pkw einer Obersteirerin gerast sein - sie starb.

Der Fall, der sich im Oktober des Vorjahres auf der Ennstalstraße (B 320) zutrug, hatte im ersten Moment wie ein normaler Verkehrsunfall ausgesehen, stellte sich im Zuge der Ermittlungen jedoch als Selbstmordversuch heraus.

Bestätigungen von Zeugen

Laut Auskunft der Staatsanwaltschaft Leoben dürfte der Angeklagte zum Zeitpunkt des Unfalls schwere psychische Probleme gehabt haben. Auf der Heimfahrt nach Slowenien soll er daher mit seinem Lkw versucht haben, sich selbst umzubringen, indem er in einen entgegenkommenden Pkw fuhr.

Das würden mehrere Zeugen bestätigen, da er auf einer längeren Strecke immer wieder die Gegenfahrbahn angesteuert hätte - zunächst aber auf die eigene Fahrspur zurückgelenkt habe. Erst als er das Auto der 59-jährigen Obersteirerin, die Richtung Schladming unterwegs gewesen war, im Gemeindegebiet von Haus im Ennstal anvisiert hatte, soll der Angeklagte nicht mehr zurückgezogen haben - die 59-Jährige starb noch an der Unfallstelle.

Staatsanwältin: „Nicht zurechnungsfähig“

Da er durch diesen Unfall bewusst den Tod anderer Personen in Kauf genommen hatte, ist der Slowene wegen Mordes bzw. Mordversuches angeklagt. Laut Staatsanwältin war der 39-Jährige zum Tatzeitpunkt nicht zurechnungsfähig und könne daher auch in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher kommen - sofern die Geschworenen dieser Ansicht folgen. Die Verteidigerin des Slowenen erklärte, dass ihr Mandant die Verantwortung für den Unfall übernehme, sich aber daran nicht erinnern könne. Er wisse nur noch, was Stunden zuvor passiert sei.

Im Zuge der Einvernahmen hat sich der Angeklagte der Aussage entschlagen. Am Dienstag fühlte sich der 39-Jährige dann schuldig - Gutachter stellten bei ihm eine manische schizoaffektive Störung fest: Bereits Monate vor dem Unfall sei das Verhalten des in Österreich als Fliesenleger arbeitenden Slowenen auffällig gewesen. Er glaubte gelegentlich, dass der Sohn, dass er Jesus sei.

Verschriebene Medikamente nicht genommen

Vor Gericht schilderte der Betroffene mit ruhigen und knappen Angaben, dass er am Tag des Unfalls in der Früh zur Arbeit nach Österreich gefahren war, es ihm aber psychisch nicht gut ging. Daher sei er am Nachmittag zurück Richtung Slowenien gefahren. Er könne sich erst wieder daran erinnern, was danach im Krankenhaus war. Schon Monate zuvor war er einmal bei einem Psychiater: „Ich dachte, meine Frau hat eine Schachtel in der Brust, weil sie nach der Geburt unseres Sohnes in der rechten Brust keine Milch hatte.“ Damals seien ihm Medikamente verschrieben worden, aber er habe sie nicht genommen.

Am Tag vor dem Unfall, es war ein Sonntag, sei er zu Hause in Slowenien gewesen und wollte das Auto seiner Frau putzen. Als sie es aber nicht da hinstellte, wo er wollte, hegte er wieder Verdacht: „Ich fragte sie, ob eine Bombe im Auto ist. Sie sagte nichts darauf.“ Außerdem seien ihm ein Spiel und eine Eule durch den Kopf gegangen. „Wenn ich diese Fantasien hatte, dachte ich, dass mein Sohn nicht unser Kind ist. Ich sagte Sachen, die nicht gestimmt haben“, schilderte der Angeklagte. Mittlerweile ist er in Behandlung und bekommt Medikamente gegen seine Psychosen.

„Er spürte, dass etwas nicht stimmte“

Die Ehefrau bestätigte seine Angaben: Er sei stets ein ruhiger und zurückhaltender Mensch, habe nie Selbstmordgedanken geäußert und sei nie aggressiv gewesen. „Aber er spürte, dass etwas nicht stimmte.“ Nach seinem ersten Termin beim Psychiater habe sie nichts mehr davon bemerkt - bis zum Sonntagabend vor dem Unfall. „Er sagte, es habe ihn jemand verfolgt. Er hatte Halluzinationen und hörte Stimmen. Er sagte, unser Sohn sei nicht unserer und Frauen werden das echte gemeinsame Kind bringen. Er machte ihnen auch die Tür auf“, schilderte die Frau.

Sie habe Verwandte und den Notarzt gerufen, der sie dann an den Hausarzt verwiesen habe. Ihr Mann habe immer wieder von einer Eule gesprochen, die man erwischen müsse, weil sie davongeflogen sei. Er habe behauptet, dass die angebliche Schachtel in der Brust sie oder ihn verfolgen würde. Außerdem habe er sich an dem Tag als „Herrn, der alles weiß“ bezeichnet, erklärte seine Ehefrau.

Barfuß an Unfallstelle

Sein Psychiater beschrieb den 39-Jährigen als derzeit stabil, weil er Medikamente bekommt. Er habe keine psychotischen Schübe mehr. Erst vor wenigen Tagen habe sein Patient gesagt, dass er damals auf die Gegenfahrbahn gelenkt habe, „um das Spiel zu beenden“. Am Nachmittag schilderten mehrere Zeugen ihre Wahrnehmungen vor und direkt vom Unfall nahe Haus im Ennstal auf der B320. Ein Zeuge, er fuhr kurz vor dem Unfall mehrere Fahrzeuge hinter dem Slowenen, erinnerte sich an riskante Überholmanöver des Mannes.

Ein Passant meinte, dass der Slowene weder Schuhe noch Socken anhatte, als er nach dem Unfall versorgt wurde. Andere Helfer bestätigten das. Eine Autofahrerin schilderte, dass der Slowene nach dem Unfall barfuß durch ein Fenster aus dem Unfallwrack geklettert war. Er sei auf sie zugegangen und habe ihr Auto nehmen wollen: „Er sah aus wie unter Schock.“ Sie habe ihn am Arm angefasst und von sich fern gehalten. Andere Helfer kümmerten sich dann um ihn.

Urteil möglicherweise am Mittwoch

Eine Reinigungskraft aus dem Krankenhaus, die zum Übersetzen von den Ärzten hinzugezogen wurde, beschrieb als Zeugin vor Gericht, was der Lenker ihr direkt nach dem Unfall erzählt hatte. Er habe nach Hause gewollt und ihr gegenüber behauptet, dass er langsam gefahren und jemand sehr schnell auf seiner Seite auf ihn zugefahren sei. „Dann redete er mehrmals von einem Spiel, das nun vorbei sei, und dass jemand sterben werde.“

Tatsächlich hatte er zu dem Zeitpunkt noch nicht gewusst, dass die andere Lenkerin bei dem Unfall ums Leben gekommen war. Da auf einige Zeugen, die sich entschuldigen hatten lassen, verzichtet wurde, könnte der Prozess möglicherweise schon Mittwochnachmittag mit einer Entscheidung der Geschworenen zu Ende gehen.