Hohe Haftstrafen für Dschihadistenpärchen

In Graz sind am Dienstag zwei Paare zu hohen Haftstrafen verurteilt worden: Sie waren mit ihren Kindern nach Syrien gegangen, um sich der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) anzuschließen. Alle waren geständig.

Die vier Angeklagten stammen aus Bosnien-Herzegowina, besitzen aber die österreichische Staatsbürgerschaft. Sie waren laut Staatsanwalt in einem Grazer Glaubensverein, der für seine „radikal islamistische Auslegung“ bekannt war - dort erfolgte auch „die Erziehung der Kinder nach diesem Wertmuster“, so die Anklagebehörde.

Kinder mit Propaganda-Filmen konfrontiert

Ein Vertreter des Jugendamtes, der sich um die Kinder - derzeit sind noch acht minderjährig - der beiden Paare kümmert, gab am Dienstag an, dass es ihnen trotz der Erlebnisse in Syrien gut gehe: Bisher seien „keine psychologischen Maßnahmen“ erforderlich gewesen, so der Zeuge. Der Staatsanwalt wiederholte eindringlich, dass die Kinder nicht nur Bombenangriffen ausgesetzt waren, sondern auch noch permanent mit grausamen Propaganda-Filmen des IS konfrontiert waren.

Befragung ohne Öffentlichkeit

Außerdem mussten sogar die kleinen Mädchen, die damals acht oder neun Jahre waren, bereits einen Niqab, darüber einen Schleier und Handschuhe tragen - bei über 40 Grad Hitze. Dieses Argument ließ einer der Verteidiger nicht gelten: „Viele Wüstenvölker tragen dunkle Kleidung, weil das am besten gegen Sonne schützt“, meinte er. Die Kinder haben derzeit einmal im Monat telefonisch Kontakt zu den Eltern, ein Treffen gab es zuletzt vor einem Jahr. Auf Befragung durch den Ankläger musste der Mitarbeiter des Jugendamts bestätigen, dass ihm kein ähnlicher Fall bekannt sei, bei dem „Eltern mit ihren Kindern in ein Kriegsgebiet gehen“.

Die Befragung einer Angeklagten erfolgte unter Ausschluss der Öffentlichkeit, ebenso wie jene der Mitglieder des Amtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, auch sie wollten nicht vor Publikum aussagen. Daher mussten nicht nur die Zuschauer, sondern auch alle vier Angeklagten den Saal verlassen.

Grausame Videos als „Familienunterhaltung“

Im Dezember 2014 kamen die beiden Paare mit ihren neun Kindern über die Türkei nach Syrien und bezogen dort Wohnungen, die ihnen vom IS zugewiesen worden sein sollen. „Der IS hat auch Familien gebraucht, um soziale Strukturen aufzubauen“, erklärte der Staatsanwalt. Die Eltern sollen zusammen mit ihren kleinen Kindern grausame Propagandavideos „wie Fußballspiele“ angeschaut haben, das sei „so eine Art Familienunterhaltung“ gewesen, führte der Staatsanwalt am Montag bei Prozessbeginn aus.

Die Männer besuchten einen Scharia-Kurs und erhielten eine Kampfausbildung. Als sie erkannten, dass auch in Syrien nicht alles Eitel Wonne war, flüchteten die beiden Paare im April 2016 in die Türkei - von dort wurden sie nach Österreich abgeschoben, wo sie sofort wieder verhaftet wurden.

OGH hob Ersturteil wegen Fragestellung zum Teil auf

Nach der Verhaftung kam es zum Prozess in Graz - mehr dazu in IS-Prozess gegen drei Ehepaare eröffnet (18.5.2017) und in IS-Prozess gegen Ehepaare fortgesetzt (31.5.2017). Einer der Angeklagten, ein 39 Jahre alter Mann wurde bereits rechtskräftig verurteilt, weil er für den IS Scharfschützen ausgebildet haben soll, vom Vorwurf des Mordes wurde er freigesprochen. Er wurde ebenso wie der zweite Mann und die 40-jährige Frau zur Höchststrafe von zehn Jahren verurteilt, bei einer 44 Jahre alte Frau blieb es bei neun Jahren. Die Urteile wurden teilweise aufgehoben, weil die Fragestellung an die Geschworenen nach Meinung der Höchstrichter nicht ganz korrekt war.

Am Montag gab auch einer der Verteidiger zu bedenken, man müsse bei der Bewertung der Anklage auch die „mediale Islamkritik“ berücksichtigen und nicht „Politik und Religion“ vermischen. „Hätten sie ihre Kinder in radikal-katholischem Sinn erzogen, würden wir nicht hier sitzen“, war der Anwalt überzeugt. Auch sein Kollege betonte, Islamophobie sei nicht Gegenstand der Verhandlung. Im Gegenzug hatte der Staatsanwalt in Hinblick auf den radikalen Glaubensverein zuvor betont, „der Staat hat viel zu lange weggeschaut, dass es solche Vereine gibt“.

Urteile noch nicht rechtskräftig

Alle vier Angeklagten waren zu den Vorwürfen geständig. Im zweiten Prozess wurden nun die Haftstrafen der ersten drei Angeklagten von jeweils zehn Jahren auf neun Jahre und neun Monate (39-Jähriger), neun Jahre und drei Monate (40-Jährige und 50-Jähriger) sowie acht Jahre und drei Monate herabgesetzt. Alle vier kündigten sofort Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an, der Staatsanwalt gab keine Erklärung ab.