„Geächtet“: Kampf mit der eigenen Zerrissenheit
2013 erhielt der pakistanisch-amerikanische Autor Ayad Akhtar für sein Stück den Pulitzer-Preis, heuer wurde „Geächtet“ in der Kritikerumfrage der Fachzeitschrift „theater heute“ zum besten ausländischen Stück des Jahres gewählt.
Im Zentrum steht der erfolgreiche New Yorker Wirtschaftsanwalt Amir Kapoor - seinen Namen hat er geändert, dem Islam abgeschworen, denn: „Ich halte ihn für eine sehr rückständige Lebensweise, Denkweise.“ Seine Frau, eine exzentrische Künstlerin, versucht ihn dagegen von der Besonderheit der Religion, in die er hineingeboren wurde, zu überzeugen - in der islamischen Tradition gebe es so viel Schönheit und Weisheit.
Zu welchem Wir gehört man eigentlich?
Doch als sein Umfeld in Amir einen Moslem zu erkennen meint, ist die Karriere weg, Freunde kehren ihm den Rücken zu - obwohl sie zugeben: „Du bist doch gar nicht so anders. Du stellst dir unter dem guten Leben dasselbe vor wie ich. Ich meine, ich hätte nicht mal bemerkt, dass du Muslim bist - ohne den Artikel in der Times.“
Lupi Spuma
Und plötzlich tun sich bedrängende Fragen auf: Wie tief sind Herkunft und Religion in einem verwurzelt? Zu welchem Wir gehört man eigentlich? Wie schnell offenbaren sich Grenzen zwischen unterschiedlichen Gruppen - und welche Meinungen vertreten sie?
Eine Bühne, fünf Podeste und Gefühlswelten
Auf einer weißen Bühne - lediglich mit unterschiedlichen Podesten ausgestattet - auf denen die fünf Protagonisten ihre Positionen einnehmen, hat Volker Hesse seine Inszenierung im Grazer Schauspielhaus umgesetzt; hin und wieder werden Dialoge durch Videoprojektionen hervorgehoben.
Sendungshinweis:
„Der Tag in der Steiermark“, 9.12.2016
Durch das bewusst reduzierte Bühnenbild rückt der Regisseur den Text und die Gefühlswelten der einzelnen Personen umso mehr in den Fokus: „Es ist kein Meinungsstück. Die Schichten, die aufgewühlt werden, sind alt und tief. Es geht um Identität und Dazugehören, über religiöse Sinngebung in einer Gemeinschaft - und auch darüber, wie instabil eine Identität, die ein Lager gewechselt hat, ist“, so Hesse.
Der Kampf mit der eigenen Zerrissenheit
„Geächtet“ ist kein Stück, das klare Antworten geben will, wie etwa unterschiedliche Kulturen und Religionen zusammenleben können, oder wie man mit der Angst vor dem Fremden umgehen könnte. Vielmehr zeigt es auf der persönlichen Ebene der Personen den jeweiligen inneren Kampf, mit der eigenen Zerrissenheit umzugehen.
Ein Kampf, den auch der Regisseur gut nachzuempfinden scheint: „Ich kann mich relativ gut in so eine Grenzüberschreitung hineindenken - ich habe etwa persönlich eine sehr katholische Erziehung gehabt und mich mit wildem Hass davon gelöst. Manchmal stelle ich fest, dass alte Muster doch noch sehr lebendig in mir sind. Es muss also gar nicht so sehr die muslimische Welt sein.“