Die politischen Parteien im Umbruch?

Die Turbulenzen in der österreichischen Innenpolitik stellen das herkömmliche Parteiensystem in Frage. Braucht es dieses System überhaupt noch? Der Grazer Politikwissenschafter Klaus Poier hält die Diskussion darüber für gerechtfertigt.

Der Rücktritt der Grünen Bundessprecherin Eva Glawischnig am Donnerstag, jener vergangene Woche von Reinhold Mitterlehner (ÖVP), sein Nachfolger Sebastian Kurz kündigte die große Koalition auf. In der österreichichen Innenpolitik scheint kein Stein auf dem anderen zu bleiben. Das wirft die Frage auf, ob das herkömmliche Parteiensystem nicht längst ausgedient hat.

Parteienlandschaft in Europa im Umbruch

Die Diskussion über eine mögliche Ablöse des bisherigen Parteiensystems ist für den Verfassungsjuristen und Politikwissenschaftler Klaus Poier zumindest gerechtfertigt. Spätestens seit der Bundespräsidentenwahl im Vorjahr, als die beiden Großparteien erstmals ihre Kandidaten nicht in die Stichwahl brachten: "Wir sehen in sehr vielen europäischen Ländern einen Umbruch in den Parteienlandschaften. Ganz viele neue Parteien entstehen und andere Parteien, die schon vorhanden waren, gewinnen ein anderes Gewicht, etwa der Front National in Frankreich oder Parteien in Griechenland.

Neuwahlen in Österreich sind fix, das könnte den sogenannten Großparteien Rückenwind verschaffen, sagt Poier: „Ob das kurzfristig ist werden wir sehen, es kann auch eine Stärkung der bisherigen Großparteien bedeuten, denn eine Zuspitzung zwischen SPÖ und ÖVP im Wahlkampf hat ihnen in der Regel immer genutzt.“

Abwärtstrend der Großparteien begann schon früh

Generell begann für SPÖ und ÖVP aber in den 1980er Jahren ein kontinuierlicher Abwärtstrend. 2002, während der Ära Schüssel, stieg die Zustimmung kurzfristig, damals während schwarz-blau. 2013 kamen die beiden Traditionsparteien gemeinsam auf nur 51 Prozent.

Der langjährige steirische SPÖ-Spitzenpolitiker Günther Dörflinger sagt, ihm seien Situationen lieber in denen Parteien eine starke Rolle spielen ohne den Staat zu dominieren. „Im Gegensatz zu einer Demokratieauffassung wo einer dann von Einzelpersonen abhängig ist. Weil wer soll den Wahlkampf finanzieren, wer soll die Strukturen machen?“

Keine Politik- sondern Politikerverdrossenheit

Der langjährige steirisch ÖVP-Landesrat Herbert Paierl sieht keine Politikverdrossenheit sondern eher eine Politikerverdrossenheit: „Mit dieser Entwicklung, die wir jetzt beobachten können bin ich sehr optimistisch, dass man das verloren gegangene Vertrauen in die Personen aber auch in die Parteistrukturen wieder gewinnen kann.“

Vorfeld- und Teilorganisationen sind auf beiden Seiten historisch gewachsen und haben die Parteien in eine Zwickmühle gebracht. PR-Profi Heimo Lercher leitete Wahlkämpfe für SPÖ und ÖVP in Graz: "Klientelpolitik ist nichts schlechtes, wenn man davon ausgeht, dass die Kunden die Wähler sind. Die Strukturen in der Bevölkerung sind aber längst nicht mehr die Strukturen, die die Parteien in ihren eigenen Organisationen abbilden.

Persönlichkeiten statt Parteien

Sebastian Kurz will Länder und Bünde in die Schranken weisen und sich im Wahlkampf als neue Bewegung präsentieren. Herbert Paierl sieht das nicht unbedingt als Distanzierung, sondern als stärkere Betonung der Führungspersönlichkeit. Das habe es auch in der Vergangenheit gegeben, das sei nicht völlig neu, so Paierl. Als Beispiel nennt er Josef Krainer senior, Josef Krainer junior oder Friedrich Niederl. Diese Personen hätten die Parteien auch etwas in den Hintergrund gerückt und mit ihrer uneingeschränkten Persönlichkeit und ihrem Charisma gepunktet, meint Paierl.

Günther Dörflinger glaubt, die Kunst der Politik sei, dass die jeweiligen Vorsitzenden vorausgehen müssen: „Sie dürfen aber nicht zu weit von dem was hinten kommt weg sein, sonst verlieren sie sie und auch die Wahlen“, so Dörflinger.