„Körperwelten“ gastieren in Graz

In der Grazer Stadthalle gastiert eine der umstrittensten Ausstellungen der letzten Jahre: Für Gunther von Hagens’ „Körperwelten“ werden Menschen nach ihrem Tod plastiniert - und dem Publikum gezeigt.

Seit Jahren ist das Publikumsinteresse an Gunter von Hagens’ Körperwelten ungebrochen: In 26 Ländern und 115 Städten war die Ausstellung schon zu sehen, 44 Millionen Menschen besuchten sie bislang. In Graz macht die Ausstellung bis 10. September Station und stellt insgesamt 200 Plastinate zum Zyklus des Lebens zur Schau.

Plastinate hinter Vitrinen

Gezeigt wird das Skelett, aber auch das Nervensystem bis hin zur Blutversorgung; auch wird veranschaulicht, wie der Verdauungstrakt funktioniert - ähnlich wie in einem Anatomiebuch, nur dass der Besucher zugleich sehen kann, wie sich der Körper verändert, wenn er älter wird oder krank ist, sagt Kuratorin Angelina Whally: „Wir haben eine Vielzahl echter anatomischer Präparate ausgestellt, die uns den gesamten Körper von innen zeigen, und ich erläutere dabei die Körper- und Organfunktionen, ich zeige dabei viele gesunde und kranke Organe im direkten Vergleich.“

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Sämtliche Plastinate der Schau sind allerdings nur hinter Vitrinen zu bewundern, denn würden jeder Besucher sie anfassen, würden sie nicht allzu lange halten.

Spezielles Verfahren macht Objekte haltbar

Generell haltbar gemacht wurden die Exponate in einem speziellen Vakuumverfahren, erklärt Whally, dem so genannten Plastinationsverfahren: „Wenn der Körper in unser Institut gelangt, dann müssen wir zunächst einmal die Verwesung stoppen, das machen wir mit einer Formalin-Fixierung, und dann haben wir alle Zeit, die wir brauchen, um den Körper anatomisch zu präparieren.“ Dazu wird etwa die Haut entfernt und auch das Unterhaut-Fettgewebe.

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ORF-Reporterin Alina Samonig hat Reaktionen zu den Exponaten eingeholt

Danach wird jede Zelle, die zuvor mit Wasser gefüllt war, zunächst mit einem Lösungsmittel wie Aceton und dann mit Kunststoff ausgefüllt, ehe es in die Vakuumkammer geht. Erst dann kann das Exponat mit Hilfe eines speziellen Gases gehärtet und mit Drähten, Nadeln und Klammern in Position gebracht werden. Insgesamt erfordert der gesamte Prozess rund 1.500 Arbeitsstunden und ist erst nach einem Jahr abgeschlossen.

Schau nur durch Spender ermöglicht

Der Effekt aber ist beeindruckend, denn die Exponate wirken fast wie Plastikfiguren und so gar nicht echt. Doch Whally klärt auf: „Das liegt auch daran, dass wir als Laien diese Anblicke nicht gewöhnt sind. Wenn man aber genau hinschaut, auf die Nägel oder auf die Augenbrauen oder auf die Wimpern, dann sieht man doch sehr schnell, dass es sich um ein echtes Exponat handeln muss.“

Sendungshinweis:

„Guten Morgen, Steiermark“, 30.5.2017

Und weil es sich um echte Exponate handelt, ist die Schau auch nur deshalb möglich, weil es Menschen gibt, die ihren Körper dem Heidelberger Institut für Plastination zur Verfügung stellen. Die Gestalter Gunther von Hagens und Angelina Whally haben dafür sogar schon Anfang der 80er-Jahre ein eigenes Körperspenderprogramm ins Leben gerufen: „Schon allein deswegen, weil die Körper ja dauerhaft konserviert werden und für die Angehörigen ja auch kein Grab mehr zur Verfügung steht. Wir haben heute in dieser Körperspender-Datei fast 17.000 Freiwillige registriert und in all den Jahren fast 1.800 Verstorbene Körper bekommen.“ Allein aus Österreich haben sich fast 200 Menschen für dieses Programm eingetragen.

„Wissenschaftlich überhaupt keine Bedeutung“

Allerdings ist neben dem Interesse auch die Kritik groß, zeigt die Ausstellung immerhin die plastinierten Körper toter Menschen. Kritik kommt etwa vom Rektor der Med-Uni Graz, Hellmut Samonigg, der diese Form der Leichendarstellung als ethisch in höchstem Maße bedenklich sieht.

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Die „Körperwelten“ würden unter dem Deckmantel der Information lediglich Sensationslust befriedigen: „Wissenschaftlich hat eine derartige Ausstellung überhaupt keine Bedeutung in der heutigen Zeit. Es sind auch die Farben, die hier verwendet werden, nicht dem natürlichen Körper entsprechend“, so Samonigg, dem „vor allem auch die Darstellung, wie hier Körper präsentiert werden - in bizarrer, nahezu obszöner Art“, missfällt. Heutzutage könne man auch Plastinate herstellen, ohne tote Menschen zu verwenden.

Großes Publikumsinteresse

Allerdings - und das gibt auch der Rektor zu - würde eine solche Ausstellung wohl niemals für so viel Aufsehen sorgen wie die „Körperwelten“ - das spiegelt sich auch im Kartenverkauf wieder: „Wir haben schon Unmengen an Karten verkauft und erwarten etwa 100.000 Besucher in Graz“, verrät Veranstalterin Silvia Strangmüller.

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