Glaubenskrieg im Grazer Schauspielhaus

Das Grazer Schauspielhaus rückt in der aktuellen Spielzeit das Thema „Glaube“ ins Zentrum. Dabei darf natürlich Lessings „Nathan der Weise“ als Paradestück zu Toleranz und Humanismus nicht fehlen.

Das Ideendrama „Nathan der Weise“ spielt im Jerusalem der Kreuzzüge und scheint heute im Zeitalter brennender Glaubenskonflikte rund um den Globus aktueller denn je. Die britische Regisseurin Lily Sykes liefert mit dem fünfaktigen Ideendramas von Gotthold Ephraim Lessing ihre dritte Regiearbeit in Graz.

„Sind Christ und Jude eher Christ und Jude als Mensch?“ (Zitat aus Nathan der Weise)

Von Werten und Identität

Im Stück verlang Saladin von Nathan Auskunft über die beste aller Religionen. Nathan antwortet mit der Ringparabel. Welche Gültigkeit hat Lessings Schlüsseltext der Aufklärung heute, fragt die britische Regisseurin Lily Sykes in Graz: „In diesem Stück geht es sehr stark darum, mit welchen Geschichten wir aufwachsen. Religion und Herkunft sind auch Geschichten. Das Interessante an diesem Stück ist zu überlegen, wie wir unsere Identität heute definieren. Wir im Westen leben in einer Gesellschaft, die nicht mehr von Glaube, Gemeinschaft und Familie definiert wird. Wo finden wir heute unsere Codes, unsere Identitäten?“

"Nathan der Weise" im Schauspielhaus Graz

ORF

Sendungshinweis:

„Der Tag in der Steiermark“, 19.10.2017

"Ein großes Problem für unsere heutige, westliche Gesellschaft ist der Mangel an Werten. Man sieht den Aufstieg der rechten Parteien, auch in meinem Land am Beispiel Brexit - ich glaube, das hat sehr viel damit zu tun, dass es der Welt in den letzten 30 bis 40 Jahren an Werten - außer den wirtschaftlichen - mangelt. Es gilt zu untersuchen, was unsere Werte sind, was uns Gesellschaft, Familie und Religion zur Verfügung gestellt haben, ob die Menschen überhaupt etwas haben, woran sie glauben können“, so Regisseurin Lily Sykes.

Religionen zwischen menschlichem Chaos

Blut macht keinen Vater - die Liebe schon: Lily Sykes legt mit dieser Botschaft den gesellschaftlichen Konflikt auf die Figurenebene. Dabei ist die Bühne ein drehendes, dunkles, tempelartiges Labyrinth aus Säulen, das immer wieder mit teerähnlicher Flüssigkeit beschmutzt wird. Dabei stehen die Säulen für die unterschiedlichen Religionen, die Flüssigkeit für das von Menschen gemachte Chaos. Neben Werner Strenger als Nathan sind einige Neuzugänge zu sehen: Maximiliane Haß als Recha und als Daja die Kenianerin Mercy Dorcas Otieno, die erste gebürtige Afrikanerin am Max-Reinhardt-Seminar.

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