Tschechische Tragödie in der Grazer Oper

Mit „Jenufa“ zeigt die Oper Graz eine höchst tragische Geschichte einer ledigen Mutter und ihres Neugeborenen in den Zwängen des Dorflebens vor über hundert Jahren, die jedoch auch heute unangenehm aktuell wirkt.

Um ihre Stieftochter Jenufa vor der Schande eines ledigen Kindes zu bewahren und ihr eine bessere Zukunft mit Gottes Segen zu ermöglichen, geht die Küsterin in Leoš Janáčeks Oper bis zum Äußersten: Während Jenufa schläft, nimmt sie ihr das Neugeborene aus dem Arm und schiebt es unter das Eis eines Waldbaches - ein schauriger und zutiefst berührender Höhepunkt in Peter Konwitschnys Inszenierung, in dem das Violinsolo auf der Bühne gespielt wird, während Jenufa verzweifelt nach ihrem Kind sucht.

Szenebild Jenufa

Oper Graz/Werner Kmetitsch

Frauen als Opfer gesellschaftlicher Zwänge

Opfer sein und Opfer bringen, kein Entrinnen aus dörflicher Enge, aus zementierten Regulativen scheint möglich - vor hundert Jahren wie auch heute, so Peter Konwitschny: „Dass Frauen vergewaltigt werden und dass ihnen Gewalt widerfährt - es ist längst nicht so, dass das überwunden wäre. Ich hab das gerade erst in einer Statistik gelesen, und das menschenfeindliche, frauenfeindliche, körperfeindliche, katholische System greift durchaus noch bei vielen Menschen. Die Küsterin ist zwar eine Mörderin, aber deshalb, weil sie Opfer dieses Systems ist.“

Szenefoto Jenufa

Oper Graz/Werner Kmetitsch

Eine weitere Herausforderung für das gesamte Team: Es wird in tschechischer Sprache gesungen.

Vergebliches Warten auf Gottes Rat

Iris Vermillion gibt in Graz ihr Rollendebut als Küsterin, eindringlich und vielschichtig zwischen den Polen Liebe und Glaube ringend: „Sie erwartet immer, dass Gott ihr eine Entscheidung abnimmt, und sagt in ihrer Arie immer ‚Gott, du weißt genau, wie es steht, und du weißt, dass ich das tun muss‘. Dann nimmt sie dieses Kind - das nicht nur irgendeine Puppe ist - und ich habe damit ein wirkliches Problem, ich leide furchtbar. Und dieser Moment, wo sie Jenufa eröffnet, was sie getan hat, das ist so furchtbar, man kann es gar nicht ausdrücken.“

Szenefoto Jenufa

Oper Graz/Werner Kmetitsch

Drama vor schlichter Kulisse

Johannes Leiacker gestaltete die Bühne schlicht - nur ein Bett und ein Tisch auf offener Wiese, zuerst ein abgeerntetes Sommerfeld, als Jenufa vom Vater ihres Kindes nicht angenommen wird, dann ein Schneefeld im eisigen Winter des Kindsmords und zuletzt eine Frühlingswiese mit gelben Krokussen.

Sendungshinweis:

„Steiermark heute“, 28.3.2014

Anflug eines Happy-Ends

Gal James in der Titelpartie wird dennoch in eine hoffnungsfrohe Zukunft gehen: Als bereits alles verloren scheint, die Küsterin vor dem wütenden Mob als Mörderin entlarvt wurde, öffnet sich der Vorhang nochmals einen Spalt. Jenufa und ihr Angetrauter gehen Hand in Hand über die satte Wiese - und man möchte ihnen einen gemeinsamen Herbst wünschen.

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