Graz neu angemalt

Ein Eldorado für Street-Art-Künstler aus der ganzen Welt ist derzeit das ehemalige Tagger-Areal in der Grazer Puchstraße: Im Rahmen des „Livin’ Streets Festival“ zeigen zwölf internationale Künstler ihr malerisches Können.

Mauern, je höher und größer, sind der Stoff, auf dem sich Street-Art-Träume so richtig verwirklichen lassen - und genau das finden die Künstler aus Mexiko, Puerto Rico, Spanien oder Kuba in der Puchstraße vor.

Wandgemälde beleben die Stadt

In schwindelnder Höhe verwandeln die zwölf Künstler die alten Fassaden in riesige Wandgemälde. Viktor Feher aus der Slowakei meint: „Das Schöne an dieser Kunst ist, dass sie den Blick der Einwohner auf ihre Umgebung ändert, auch ihr Verhalten, wie sie ihre Stadt nutzen, auf visuelle Verschmutzung reagieren und sie interessanter und schöner machen.“

Wandgemälde Street Festival

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In schwindelnder Höhe bearbeiten die Künstler ihre Wandgemälde.

Vom Untergrund zur breiten Öffentlichkeit

Ursprünglich als Untergrund- und Protestkunst in großen Städten meist illegal betrieben, sind Graffiti und Street-Art heute vielfach begehrte Kunstobjekte oder schlicht als Stadtverschönerung höchst erwünscht. Festival-Initiator Ferdinand Oberbauer wünscht sich noch mehr Offenheit gegenüber dieser Kunstform: „In Melbourne ist es eine ganz normale Form, wenn Hausbesitzer an Künstler herantreten und sagen, wir haben diese Wand, wollt ihr die nicht gestalten. Dort ist das gang und gäbe, bei uns ist es etwas Außergewöhnliches.“

Auch in Afrika sei diese Kunstform schon Normalität, wo Leute auf offener Straße zu Künstlern kommen und diese bitten, ihre Hauswand zu bemalen: „Diese Offenheit suchen wir ja und dass da mehr Verständnis für moderne Kunst entsteht“, sagt Oberbauer. Grundsätzlich suche der Initiator nach möglichst verschiedenen Stilen und einem breiten Spektrum an Künstlern und Kunstwerken. Das Tagger-Areal mit seinen großen Flächen und dem trashigen Ambiente sei laut Oberbauer perfekt für dieses Festival.

Wandgemälde Street Festival

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Sendungshinweis:

„Steiermark heute“, 17.7.2014

Street Art gehört allen

Das heruntergekommene Areal habe internationale Größen angezogen. Das riesige Werk des US-Künstlers Evoca 1 zeigt ein blondes androgynes Wesen, das ein Baby schützend im Arm hält und einen Dobermann an der Seite hat. Über 40 Meter hoch ist die Arbeit des argentinischen Street-Art-Künstlers „Ever“, der darauf die Frage nach dem Idealismus heute stellt: Sie zeigt eine Frau in freiheitskämpfender Jeanne D’Arc-Pose, darüber ein Mao-Porträt und das Wort Idealismus durchgestrichen. Der Argentinier dazu: „Wenn ich die Mauern bemale, ist es zunächst ein selbstbezogener Moment, aber sobald das Werk fertig ist, gehört es nicht mehr mir, sondern der Bevölkerung.“ Seine Werke sind in mehr als 30 Städten weltweit zu sehen.

Wandgemälde Street Festival

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Das riesige Gemälde des US-Künstlers Evoca 1

Ein Gegenpol zu Kommerz

Nychos ist einer der gefragtesten österreichischen Street-Art-Künstler. Der von ihm gesprayte Drache schlängelt sich ebenfalls über gut 40 Meter Fassade: „Das, was ich da oben mache, ist die Kunst, die ich mache. Das ist das, was mich am meisten fasziniert.“ Auch er komme vom klassischen Graffiti und das sei ein Entwicklungsprozess: „Dadurch lernt man gut mit der Dose umzugehen und es ist dann immer größer und komplexer geworden.“ Im Endeffekt sei das Wichtigste der Spaß, so Nychos. Bei Street-Art solle die Figur seiner Meinung nach in der Wirklichkeit leben und zur Umgebung passen.

Eines ist den Arbeiten auch hier in Graz einig: sie setzen nicht zuletzt einen weithin sichtbaren Gegenpol zu kommerzieller Werbung. Wichtigste Grundvoraussetzung jedes Street-Art-Künstlers ist Schwindelfreiheit: „Meiner Erfahrung nach gewöhnt man sich sehr schnell daran. Vielleicht ist es für jemand anderen ein Problem, aber ich finde es einfach“, sagt Viktor Feher und steigt in den Krankorb, der ihn in die Höhe bringt.