Künstlerische Polizeifotos
Sendungshinweis:
„Steiermark heute“, 7.3.2015
1948 schoss Arnold Odermatt sein erstes Polizeifoto - damals ahnte er nicht, dass das Jahre später eine Karriere als Künstler bedeuten würde. Mehr als 40 Jahre lang fotografierte Odermatt als Polizist in der Schweiz Verkehrsunfälle, bis Regisseur Urs Odermatt Anfang der 90er-Jahre das Werk seines Vaters als echten Kunstschatz entdeckte: 2001 präsentierte Harald Szeemann Arnold Odermatts Werk bei der 49. Biennale in Venedig, seither begeistert es auf der ganzen Welt.
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Von Chicago über Berlin nach Graz
Odermatts Fotoserie „Karambolage“ war unter anderem in Chicago, New York und Berlin zu sehen, nun ist sie im Atelier von Christian Jungwirth in Graz zu Gast. Mit den Fotos wollte Arnold Odermatt eigentlich die Unfalldokumentation im Schweizer Kanton Nidwalden modernisieren, sagte Odermatt bei der Vernissage in Graz: „Die ersten Aufnahmen waren eigentlich langweilig, der Richter wollte möglichst alles sehen, dann wusste ich: Ich mache ein Erinnerungsbild in einer ganz anderen Stellung, in einer ganz anderen Art, wo man viel sieht, und vielleicht sagen sich meine Kinder, meine Großkinder, wenn sie die Fotos sehen: ‚Das war ein komischer Großvater, was er da gemacht hat‘.“
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Autowracks als sensible Momentaufnahme
So fertigte Odermatt nach behördlich vorgeschriebener Unfalldokumentation eine einzige Aufnahme für seine private Sammlung, nach seiner Pensionierung von Sohn Urs Odermatt entdeckt, katalogisiert und verwaltet; 66.000 Negative umfasst Odermatts Sammlung heute.
Wenn man die Schwarz-weiß-Fotografien betrachtet, wird schnell klar: Um Blut und Dramatik ging es dem bescheidenen gelernten Konditor nie. Mit Feinsinn und Ästhetik komponierte Odermatt aus skurril verschlungenen Autowracks sensible Momentaufnahmen, mal ironisch, mal sachlich nüchtern. Sensationsfotografie war Arnold Odermatt immer fern, und auch als Künstler sah er sich nie: „Künstler war ich, als ich Konditor war. Leute sagten mir, es sei Kunst, was ich mit den Fotos gemacht habe, ich glaubte aber nicht daran. Für mich waren es einfach schöne Fotos. Ich musste mich langsam daran gewöhnen, dass mich die Leute mit ‚Künstler‘ ansprachen. Ich habe mich nie als Künstler gefühlt.“ Das Fotografieren in 50 Jahren Polizeiarbeit sei für ihn mehr Therapie als Kunst gewesen, sagte Odermatt.
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Fotograf als Chronist
Ein im See brachliegender VW Käfer, ein am Heck zerrissener Citröen und ein VW-Bus mit Holzbalken in der Windschutzscheibe machen neben Aufnahmen von Kollegen im Polizeialltag Arnold Odermatt zu einem Chronisten seiner Zeit, im Mai feiert er seinen 90. Geburtstag. Die Frage, ob er sich beim Betrachten der Fotos an die Geschichten hinter den Szenen erinnert, entlarvt dann doch ein wenig den Fotokünstler in Arnold Odermatt: „Ich kann mich bei vielen Fotos noch erinnern, was für eine Blende ich genommen habe, aber wer was gemacht hat, wer es war, ob es schlimm war, das habe ich nach den vielen Unfällen vergessen wollen und gar nicht mehr genau gewusst.“
Link:
- Fotoausstellung „Karambolage“ (Atelier Jungwirth)