Woran glauben wir noch?

Zeiten großer Umbrüche wirbelt der französische Theatermacher Joel Pommerat in seinem Stück „Kreise.Visionen“ im Grazer Schauspielhaus so richtig durcheinander und stellt dabei die Frage, woran wir noch glauben.

In „Kreise.Visionen“ wird das Publikum auf ein Unendlichkeitsspiel eingeladen, in dem es nur eine Regel gibt: Selbst Gott zu sein und damit auch selbst zu entscheiden, gütig oder egoistisch zu handeln.

Sendungshinweis:

„Steiermark heute“, 19.11.2015

Gottspiele

„Er sagt aber, nehmen sie einen Gott, der sie liebt, der sie auch mit all ihren Fehlern liebt. Dann hat es, so finde ich, auch etwas sehr positives, dass ich nicht mehr jemand anderem genügen muss, einer Autorität, die über mir steht, sondern dass ich mir selbst genügen muss“, sagt der junge Regisseur Dominique Schnizer, der in Graz als Regieassistent begann und nun nach elf Jahren an deutschen Theatern mit seiner ersten großen Regiearbeit für Graz in seine Heimat zurückkehrt.

"Kreise.Visionen"

Schauspielhaus Graz/Lupi Spuma

Joel Pommerats Stück bezeichnet er als ein Stück über das Leben und eine stete Sinnsuche: „Ist der Sinn meines Lebens zu dienen oder zu herrschen, und wenn ich diene, diene ich einem höheren Wert, einer höheren Macht? Wer bin ich, und was mache ich da, wird es irgendwann einmal einen Sinn ergeben?“

Vom Kreuzrittertum bis ins Heute

In 23 Szenen, die auf der Drehbühne rasant und nicht chronologisch ineinandergreifen - vom Kreuzrittertum über die Monarchie bis ins Heute - verhandelt Pommerat die schrittweise Abkehr vom Glauben und von Hierarchien, aber die scheinbar gewonnene Freiheit machte nur neuer Macht und neuen Abhängigkeiten Platz.

"Kreise.Visionen"

Schauspielhaus Graz/Lupi Spuma

Das Angebot eines Adelspaares, sich mit seiner Dienerschaft zu duzen, mag ja auf den ersten Blick sympathisch klingen, an den ungleichen Lebensbedingungen ändert es nichts, oder ein erfolgreicher Unternehmer, der Obdachlose für eine Organspende gewinnen will, wird von diesen bloßgestellt, in dem sie sein Angebot ins Unermessliche überbieten.

"Kreise.Visionen"

Schauspielhaus Graz/Lupi Spuma

„Wie hätte ich entschieden?“

„Wie hätte ich entschieden, wie hätte ich es gemacht, das ist vielleicht am prägnantesten in dieser Vorlage von Pommerat, dass er diese Frage noch einmal ganz konkret auf viele verschiedenen Arten stellt“, so Schnizer. Lösung gibt es natürlich keine, stellt doch auch Pommerat in seinem Stück die Fragen: „Was geschieht eigentlich mit uns? Warum schaffen wir es nicht, hier herauszufinden?“

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