431 Jahre mit „Orlando“ im Schauspielhaus

Virginia Woolfs Roman „Orlando“ wird derzeit im Grazer Schauspielhaus auf die Bühne gebracht. Ein Jahrhunderte dauerndes Leben wird dabei von den beiden Schauspielern in knapp zwei dichten Stunden ins Heute gebracht.

Der elisabethanische Adelige „Orlando“ - unsterblich in ihren 300 Lebensjahren von einer Geschlechtswandlung betroffen - lebt und liebt durch die Zeiten.

"Orlando"

ORF

Spannende Identitätskonstruktionen

„Der Abend schlägt einen Bogen von 1586 bis eigentlich 2017, auch wenn der Roman 1928 endet“, so Regisseur Jan Stephan Schmieding. „Es katapultiert uns über 400 Jahre bis ins heute, und in die Fragen von Identitätskonstruktionen und von Persönlichkeit und mehreren Identitäten, die uns alle umtreiben.“

Kraftvolle Bilder

Die beiden Schauspieler Henriette Blumenau (Orlando) und Mathias Lodd bespielen das „Haus Zwei“ des Schauspielhauses. Blumenau und Lodd, der alle anderen Rollen übernimmt, schaffen kraftvolle Bilder von kleinen Welten; fast zwei Stunden lang stehen die beiden ununterbrochen auf der Bühne.

"Orlando"

ORF

"Orlando"

ORF

Tuch und Glaskästen

Das Bühnenbild ist einfach und mit einem übergroßen Tuch bedeckt, aus dem sich Blumenau und Lodd zu Beginn kichernd und kuschelnd herausschälen. Begehbare, verglaste Schaukästen wie im Museum, mit allerhand die Handlung befeuernden Gegenständen wirken ebenso wie die Kostüme (Tanja Kramberger) sinnlich bis sinnstiftend; das übergroße Bühnentuch wird zum Rock und zum Wickelrock samt Krinoline.

Ein Jahrhundert in acht Minuten

„Wir haben versucht, diesen Bogen über 400 Jahre zu raffen, so wie es Virginia Woolf auf den 300 Seiten gemacht. Wir haben versucht, gewisse Episoden nur mit einem Requisit oder einem Kostümteil zu erzählen. Und da lässt sich dann ein Jahrhundert in acht Minuten erzählen.“

"Orlando"

ORF

Gläsere Decke einst und jetzt

Die beiden Schauspieler haben sechs Wochen lang mit dem Regisseur Situationen und Texte eng abgesprochen. „Ich glaube, dass die Tabuisierung in den einzelnen Leben, die wir leben, gar nicht so spürbar ist, sondern dass es in der politischen Diskussion und in der Rückwärtsgewandtheit, die wir gerade erleben. Themen wir Gerechtigkeit und Alleinerziehung von Kindern, da hatte Virginia Woolf damals eine Vorreiterrolle. Vielleicht ist die gläserne Decke für Virginia Woolf und ihre Freundin Vita, für die sie Orlando geschrieben hat, damals sogar etwas niedriger gewesen als heute, die Diskussion ist aber so aktuell wie immer. Der Text gibt uns die Möglichkeit, darüber zu reflektieren, wie weit es gekommen ist und wo noch Dinge zu tun sind, wo man noch kämpfen muss“, so der Regisseur.

Sendungshinweis:

„Steiermark heute“, 5.4.2017

„Im Heute angekommen“

„Wir haben den Roman nicht weitergeschrieben, das wäre auch problematisch gewesen. Aber die persönlichen Strukturen und die Identitätskonflikte, die haben wir zu den Spielern geholt, die den Roman aus ihrer Perspektive verhandeln. Sie haben ihre eigen Position und Meinung zu dem, was Orlando erzählt. Die beiden sind Menschen von heute - und damit sind wir im Heute angekommen“, sagte Jan Stephan Schmieding.

Link: