Schauspielhaus: Schwabs „Faust“ zur Eröffnung
Mit seiner außergewöhnlichen Kunstsprache, dem „Schwabischen“, schrieb der Grazer Dichter Werner Schwab Literaturgeschichte. Anfang nächsten Jahres wäre er 60 Jahre alt geworden - aus diesem Anlass würdigt das Grazer Schauspielhaus den in der Silvesternacht 1993/94 erst 35-jährig verstorbenen Autor mit der Saisoneröffnung.
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Eskalation in der Walpurgisnacht
Im Dreck gewühlt, das Abgründige schonungslos hervorgeholt - das hat Werner Schwab stets in seinen Stücken, in einer Radikalität die Ihresgleichen sucht. Fausts Studierstube ist eine Toilette, der Boden voll mit Zettelwerk, Faust in Feinripp-Unterwäsche ertränkt das körperlich und geistig Abgesonderte im Schnaps. Margarethe ist emanzipiert und lässt Faust selbst jung noch links liegen, die Walpurgisnacht ist eine einzige Eskalation.
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„Wir glauben, dass das Publikum reif dafür ist“
„Wir zeigen Werner Schwab, der fast nicht mehr gespielt wird, also zumindest nicht dieses Stück. Der ‚Faust‘ gehört zu den ‚Fäkaliendramen‘, man hört schon an dieser Bezeichnung, dass das nichts ist, was man seinem Publikum immer zumuten möchte. Aber wir bringen ihn mit großer Freude, weil wir glauben, dass das Grazer Publikum reif dafür ist. Schwab macht in diesem Stück immer noch den Puls der Gegenwart spürbar“, so Schauspielhaus-Intendantin Iris Laufenberg.
Lust an Schwab, seiner Sprache, seinen Versen
1991 packte Regisseurin Claudia Bauer die Lust an Schwab: „Ich habe gedacht, genau das will ich sehen. Ich will Leute an Sprache zerbrechen sehen. Ich will Figuren sehen, die sich schmerzhaft verrenkt äußern und bewegen. Mich hat es komplett umgehauen. Viele Leute haben auch versucht, ihn nachzumachen, das ist aber keinem gelungen.“
„Für uns war das eine großartige Entdeckung, wie toll er Vers schreibt. Es ist meist ungereimt, aber er hat am Ende eine komplett neue Sprachebene für sich entwickelt, die ganz großartig ist“, so Bauer.
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Gentrifizierung und Alter
Der Text des 1994 in Deutschland uraufgeführten Stücks sei sehr heutig, meint Bauer weiter: „Ich finde, gerade wenn das Gretchen über die Menschenfreiheit redet. Jeder Mensch wähnt sich frei, und dann sind doch alle Telefonleitungen besetzt. Gott hat sich erschossen, ein Dachgeschoß wird ausgebaut - da denkt man gleich an die Gentrifizierung großer Städte. Ich habe das Gefühl, dieses Stück ist keine Sekunde alt. Beachtlich und bitter finde ich auch den Blick ins Alter. Jeder Mensch, der nicht ganz knusprig ist, wird das so empfinden.“
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Im grell-surrealen Kostüm
Die Kostüme der schrillen Figuren von Mephisto über Margarethe bis zu Wagner und Marthe Schwertlein sind grell-surreal. Bauer bringt ein auf die Sprache hin getaktetes Werk auf die Bühne, das ob im Sprechgesang oder in den Versen Ausweglosigkeit und Vergänglichkeit spürbar machen.
Sendungshinweis:
„Steiermark heute“, 28.9.2017
„Sprachlich auf Ebene sieben“
Schwabs Sprache sei denn auch die größte Herausforderung, sagt Bauer: „Das sinnlich an die Grazerische Volkskörperhaftigkeit heranbringen - das ist das große Ding. Man will ja nicht, dass der Zuschauer sagt, das versteht ja keine Sau. Man will, dass er sagt, Wahnsinn, ich kann in diese Gehirnwindungen hineinschauen, und ich kann sogar verstehen, was da läuft, obwohl ich gerade merke, ich bin sprachlich auf Ebene sieben.“
Link:
- „Faust. Mein Brustkorb. Mein Helm“ (Schauspielhaus Graz)