Tödliche Spritzenverwechslung: Prozess vertagt

Der Prozess rund um den Tod eines Grazer Unternehmers nach Verabreichung einer falschen Spritze in Graz ist Dienstagabend vertagt worden. Es sollen noch weitere Zeugen und Sachverständige gehört werden.

Der Unternehmer war an Leukämie erkrankt und hatte sich einer ambulanten Chemotherapie unterzogen. Kurz vor Weihnachten 2013 kam es zur fatalen Verwechslung: Die angeklagte Neurologin soll ein Mittel statt in die Vene direkt ins Rückenmark verabreicht haben. Der Patient fiel ins Koma und starb drei Wochen später - mehr dazu in Spritze verwechselt: Opfer gestorben (23.12.2013).

Vorwurf der grob fahrlässigen Tötung

Die Staatsanwaltschaft Graz wirft der Ärztin nun vor, den Tod des Mannes fahrlässig herbeigeführt zu haben. Konkret habe sie „ihre Verpflichtung außer Acht gelassen, die von ihr zu verabreichenden Medikamente auf Wirkstoff, Dosierung und Verabreichungsart zu überprüfen“, wie es heißt.

Fehler laut Gutachten vermeidbar

Die Anklage stützt sich zum Teil auf die Gutachten eines Krebsspezialisten und eines Neurologen. Aus diesen soll hervorgehen, dass der Fehler vermeidbar gewesen wäre, wenn man das Medikament nicht als Spritze, sondern als Infusion vorbereitet hätte - wie das laut Gutachten von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) schon vor Jahren vorgeschlagen wurde - mehr dazu in Tod nach falscher Spritze: Prozesstermin steht (17.2.2016).

Aus diesem Grund sind auch zwei ehemalige Leiter des Instituts für Hämatologie und Onkologie wegen grob fahrlässiger Tötung angeklagt. Ihnen wird von der Staatsanwaltschaft als damals organisatorisch Verantwortlichen vorgeworfen, diese WHO-Empfehlung aus dem Jahr 2007 nicht umgesetzt zu haben. Erst dadurch habe es zur verfehlten Medikamentengabe und dem Tod des Unternehmers kommen können, so die Grazer Staatsanwaltschaft.

Ärztin: „Weil das immer so ist“

Beim Prozess am Dienstag fühlte sich keiner der drei Angeklagten schuldig. Die Ärztin betonte, sie habe zwar keine Fieberkurve zur Kontrolle der Medikamente gehabt - wie vorgesehen -, dafür einen Assistenzarzt, der ihr bestätigt habe, dass es sich um die richtigen Spritzen handle.

Die drei Angeklagten

APA/Erwin Scheriau

Die drei Angeklagten

„Sie lesen das Etikett nicht, auf dem die Verabreichungsform steht und verlassen sich auf einen Assistenzarzt in Ausbildung?“, wunderte sich die Richterin. „Weil das immer so ist“, kam die Antwort. Die Richterin fragte weiter, ob die Ärztin nicht stutzig geworden sei, als die eine Spritze nicht - wie sonst immer - grün, sondern weiß gewesen sei? „Ich schaue wirklich nicht auf die Farbe der Spritze“, meinte die Angeklagte dazu.

Die Injektionen für die Venen sind durchsichtig und in grauer Hülle mit großem Etikett verpackt, während die für das Rückenmark aus grünem Plastik sind und steril in einer grünen Verpackung stecken - um genau solche Verwechslungen auszuschließen; doch die Medizinerin beharrte darauf, dass sie sich auf die Angaben des Assistenzarztes verlassen habe und das auch genauso üblich sei.

„Untaugliche Versuche, Schuld abzuwälzen“

„Die Spritze hätte nie dort liegen dürfen“, meinte ihre Verteidigerin, die außerdem betonte, „an diesem Tag war ein Durcheinander und sehr viel los“. Doch der Anwalt der Familie des Opfers tat diese Erklärungen als „untaugliche Versuche, Schuld abzuwälzen“ ab - er zitierte den Leiter der Neurologie, der als Grundgesetz für Ärzte formuliert habe: „Jede Spritze checken, bevor sie verabreicht wird.“

„Das ist immer der gleiche Ablauf“

Insgesamt verabreichte die angeklagte Ärztin drei Spritzen, auf dem Konsiliarbefund fand sich aber nur das Etikett von einer - die anderen habe sie auf einen Zettel für das Sekretariat geklebt, erklärte die Angeklagte; warum sie dann die beiden anderen Medikamente nicht wenigstens mit der Hand dazu geschrieben hatte, konnte sie nicht beantworten. Zwei Ärzte, die vor ihr diese Behandlung am Patienten durchführten, hatten genau beschrieben, was sie getan und was sie verabreicht hatten. „Warum haben sie das nicht hingeschrieben?“, fragte die Richterin. „Das ist immer der gleiche Ablauf“, sah die Beschuldigte darin keine Notwendigkeit.

„Gravierendes Individualverschulden“

Von den beiden angeklagten Ärzten begann einer zwar die Behandlung an dem Patienten, ging aber zwei Monate vor dem Vorfall in Pension: „Er war nicht mehr in der Klinik“, erklärte sein Anwalt und forderte schon zu Beginn einen Freispruch. Der zweite leitende Arzt hat „die Behandlung weder angeordnet noch durchgeführt“, betonte sein Verteidiger; er ortete ein „gravierendes Individualverschulden. Auf der Spritze stand I.V. (intravenös, Anm.), das muss man sehen“.

Dienstagabend wurde der Prozess schließlich vertagt - es sollen noch weitere Zeugen sowie die drei Sachverständigen gehört werden. Die Verhandlung wird am 18. Mai fortgesetzt.