Buchcover „Ein fesches Dirndl“
Gmeiner Verlag
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„Ein fesches Dirndl“ kommt nach Österreich

„Ein fesches Dirndl“ von Zdenka Becker ist keine aktuelle Flüchtlingsgeschichte – vielmehr ist es die Erzählung über eine Frau, die vor 40 Jahren aus der damals noch kommunistischen Tschechoslowakei nach Wien kam.

Es ist auch eine Geschichte des Ankommens, die die Autorin in ihrem autobiografischen Roman erzählt – denn Zdenka Becker wurde selbst in Tschechien geboren, wuchs in der Slowakei auf und übersiedelte 1975 nach Österreich. „Vor mehr als 40 Jahren passierte ich den Grenzbalken der sozialistischen Glückseligkeit und landete prompt im Paradies“, lässt Becker ihre Protagonistin Bea Burger erzählen.

„Beäugt wie jemand von einem anderen Planeten“

„Das heißt, im 10. Wiener Gemeindebezirk, wo mich die Nováčeks, Mrkvičkas und Vyskočils – amtlich befreit von allen Hatscheks und Apostrophen – freundlich fragten, ob es mir in Wien gefalle, und ob ich bei ihnen im ‚goldenen Westen‘ für immer bleiben wolle. Sie beäugten mich dabei wie ein Ausstellungsexemplar, wie jemanden, der von einem anderen Planeten kam und der es auf die reine, mit Olmützer Quargeln und Znaimer Gurkerln großgezogene österreichische Gesellschaft abgesehen hatte.“ So empfindet die Ich-Erzählerin Bea Burger ihre Ankunft in der neuen Heimat – und das, obwohl ihr altes Zuhause – die Slowakei – nur ein paar Kilometer entfernt ist.

„Goldener Westen“ gegen kommunistisches Lehrbuch

Doch damals, vor 40 Jahren, trennte der Eiserne Vorhang zwei völlig unterschiedliche Gesellschaftssysteme. Bea Burger kam der Liebe wegen nach Österreich – ausreisen durfte sie dank der überbordenden Bürokratie im Osten aber erst sieben Monate nach ihrer Hochzeit mit einem jungen Österreicher.

Buchcover „Ein fesches Dirndl“
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Sie hat ein Deutsch-Lehrbuch aus Bratislava mitgebracht – das erweist sich aber im sogenannten „Goldenen Westen“ als nicht sehr hilfreich: Darin geht es nämlich um Pionierfeiern oder um sozialistische Hopfen- und Kartoffelbrigaden in der Kolchose – also um das kommunistische Weltbild und so gar nicht um den Alltag in Österreich.

Aschenputtel im Dirndl

Bea Burger erlebt viele Stationen der Integration: Österreichische Staatsbürgerin wird Burger nach nur wenigen Tagen, aber die Hürden werden auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs nicht so schnell kleiner – ihr Studium wird nicht anerkannt, bei jedem Besuch ihrer Familie in Bratislava muss sie sich polizeilich melden und wird auffällig unauffällig von Geheimpolizisten beobachtet.

Sendungshinweis:

„Guten Morgen, Steiermark“, 23.6.2019

Doch nach und nach kommt Bea Burger wirklich in Österreich an. Bei diesen Bemühungen ist sie zu allem bereit – sogar ein Dirndl würde sie tragen. Bei der ersten Anprobe stellt sie aber fest, dass sie sich „verkleidet vorkommt, wie ein Aschenputtel, das zu einem falschen Ball geht“.

Alaba statt Apfelstrudel

Sie wird schließlich Deutschlehrerin für Flüchtlinge. Je mehr sie sich mit Menschen beschäftigt, die ebenso ihr Zuhause verlassen haben, umso besser versteht sie ihre eigene Existenz. So erlebt sie die Schwierigkeiten der Neuankommenden noch einmal aus zweiter Hand – und macht interessante Erfahrungen. Sie fragt zum Beispiel in einer Unterrichtsstunde, was denn typisch für Österreich sei – die prompte Antwort lautet aber nicht Heuriger, Apfelstrudel oder Skifahren, sondern „David Alaba“. Über 40 Jahre braucht Burger, um selbst anzukommen – und das mit dem Dirndl wird dann auch noch etwas.