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steirischer herbst
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Kultur

Herbst: Installationen aus dem Abgrund

Unter dem Motto „Grand Hotel Abyss“ steuert der steirische herbst heuer in Abgründe, möchte historische Kontexte berühren und Konflikte aufzeigen – das macht sich auch in Form zahlreicher öffentlicher Installationen bemerk- und erfahrbar.

Die Metapher vom imaginären „Grand Hotel Abgrund“ wurde geprägt von Georg Lukacs (1885-1971). Die von von herbst-Intendantin Ekaterina Degot und David Riff kuratierte Titelinstallation „The Life and Adventures of GL“ im Literaturhaus bezieht sich auf das Leben und Wirken Lukacs – er war nicht nur Philosoph, sondern auch Literaturwissenschaftler, Revolutionär und Politiker. Lukacs inspirierte mit seiner Metapher unter anderem den Schriftsteller Thomas Mann zu seinem Roman „Der Zauberberg“ (1924).

Sendungshinweis:

„Der Tag in der Steiermark“, 20.9.2019

Geschichte mit Aktualtität

Es sind vorwiegend historische Abgründe, mit denen sich die Installationen des steirischen Herbst heuer auseinandersetzen, zugleich ist der Bezug zu heute durchaus spürbar: Durch die Geschichte spannt das Festival einen Bogen ins Jetzt und zeigt Schnittmengen zwischen Historie und Aktualität auf.

Zu spüren ist das etwa im Burggarten: Es dauerte nur zwei Nächte, bis die Verkleidung des Befreiungsdenkmals im ehemaligen Stadtgraben durch den Wiener Künstler Eduard Freudmann besprüht wurde. Die Verkleidung mit der Aufschrift „Öduopfer“ thematisiert den Gründungsmythos der Zweiten Republik – ein unbekannter Sprayer besprühte das Denkmal mit dem Kürzel für „I Love Austria“, einem offensichtlich politisch motivierten Graffiti.

Eduard Freudmann, Monumyth, 2019, Installation am Befreiungsdenkmal im Rahmen des Projekts Gegenpositionen
Mathias Völzke
Eduard Freudmann, Monumyth, 2019, Installation am Befreiungsdenkmal im Rahmen des Projekts Gegenpositionen

Das mag an ein anderes Projekt des steirischen herbst erinnern, an den Brandanschlag auf die Siegessäule am Eisernen Tor im Gedenkjahr 1988. Gemeinsam mit Thomas Geiger und Elizabeth Ward hinterfragt Freudmann in der Installation „Gegenpositionen“ Denkmälern in Graz und der Steiermark.

Resonanzen zwischen damals und heute

Die Installation des Italieners Riccardo Giacconi geht in eine ähnliche Richtung: Sie widmet sich dem Thema Faschismus und dreht sich rund um die einstige „Option“ für Südtirol. Bei dieser wurden die Südtiroler 1939 vor die Wahl stellt, entweder ins Deutsche Reich zu übersiedeln oder einer rigorosen Italianisierung ausgesetzt zu sein.

Durch die von der FPÖ in jüngerer Zeit aktuell gewordene Debatte über eine doppelte Staatsbürgerschaft habe die Installation einen tagespolitischen Aspekt bekommen, der ursprünglich nicht von ihm konzipiert wurde, erklärt der Künstler. Mit seiner Installation im Grazer Kunstverein und einer Straßen-Performance kundschaftet der Italiener Resonanzen zwischen der Zeit der Südtirol-Option und dem gegenwärtigen Politklima Europas aus.

Zwischen Landwirtschaft und Wellness

Historische Abgründe und Verwinkelungen greifen auch die Künstler Andreas Siekmanns, Daniel Mann und Eitan Efrat auf. Siekmanns präsentiert am Griesplatz eine Säule, die eine zeitgenössische Interpretation von Albrecht Dürers nie realisiertem Denkmal für die besiegten Bauern (1525) repräsentiert.

Andreas Siekmann, Nach Dürer, 2019, Installation, Griesplatz
Mathias Völzke
Andreas Siekmann, Nach Dürer, 2019, Installation, Griesplatz

Im Forum Stadtpark stellt das israelische Künstlerduo Daniel Mann und Eitan Efrat die Videonstallation „Rn“ vor: In dieser machen sie den Besuchern klar, dass Wellness eine unschöne Vorgeschichte haben kann. Sie erzählen von einem Heilstollen nah des Kurortes Bad Gastein, den Nazis von Zwangsarbeitern graben ließen. Man erhoffte, dort Gold zu finden, stieß jedoch auf hohe Temperaturen und ein Gas, das unter anderem Rheuma lindern sollte.

Thematischer Ausreißer

Die nicht jugendfreie Musik- und Videoinstallation „Progressive Touch: Series 1" von Michael Portnoy ordnet sich nicht ganz in die abgründigen Geschichtsschauplätze ein: Mit seinem thematischen Ausreißer möchte der Künstler bewirken, dass Sex „besser“ wird, wie er selbst sagt. Seine vierteilige Installation in der zum Darkroom umfunktionierten Helmut-List-Halle wirft dabei jedenfalls einen Blick in den Abgrund der menschlichen Sexualität.

Daneben werden unter anderem auch das Palais Attems, das Künstlerhaus sowie einige Grazer Hotels vom steirischen herbst bespielt – das Programm ist abwechslungsreich.