Eine nächtliche Führung durch die Akademie der Wissenschaften, zu der ihn eine Freundin eingeladen hatte, war der Anstoß zu diesem Roman, erzählt Dirk Stermann: „Irgendwann standen wir dann vor einer Statue, und da hat sie gesagt, das war unser erster Präsident – Joseph Hammer von Purgstall. Den kannte ich nicht, und dann hat sie mir gesagt, er war Orientalist, und er hat Goethe zum west-östlichen Divan gebracht, und er hatte ein Schloss in der Steiermark, wo er vor jede Kuh einen arabischen Spruch geschrieben hat, damit sie mehr Milch gibt. Das fand ich so spektakulär, dass ich mir seine Autobiographie besorgt habe, und dann war ich angefixt, dann hab ich drei Jahre mit diesem großen Steirer verbracht.“ Dabei entdeckte Stermann viele Details, die er mit wahrhaft orientalischer Erzähllust in die Geschichte einbaute.
„Das war schön beim Schreiben“
„Er war ja Orientalist, und er hat ‚1.001 Nacht‘ übersetzt und dann liegt das auch nahe. Ich hab dann auch noch einmal ‚1.001 Nacht‘ gelesen und war dann auch so ein bisschen in diesem Gefühl drin – es war für mich so toll, weil er ja in Wien zur Schule ging und lange in Wien gelebt hat und Wien damals so verstunken und grauslich war, da war es für mich so schön, den Orient zu einem merkwürdigen Sehnsuchtsort zu beschreiben. Da hatte ich dann schon beim Schreiben das Gefühl, endlich wird hier das Fenster aufgemacht, endlich ist die Luft besser, es riecht besser, die Leute waschen sich, und das war schön beim Schreiben“, erzählt Stermann.
Joseph Hammer wurde 1774 in Graz geboren – in Graz, in dem es die aus heutiger Sicht absonderlichsten Berufe gab: Schloßbergtürmer, Schiffklampfelmacher, Wachskerzler, Landschaftssprachmeister, Schön- und Schwarzfärber, Geisterbrenner, Zischmenmacher – und keiner davon ist erfunden: „Diese Berufe hat es tatsächlich alle gegeben, und ich hatte eine alte Bürgerliste aus Graz, wo die Berufe und die Namen standen, ich hab’ da sehr gut recherchiert.“
„Eine riesige Zeitreise“
Das ist Dirk Stermann auch für die gesamte Geschichte wichtig: „Ich habe ja mal Geschichte studiert, und
deswegen möchte ich nicht lügen, was Geschichte betrifft, sondern möchte dann schon, dass das alles wahr ist. Das bedeutet halt mehr Arbeit für mich, es hat aber auch irrsinnigen Spaß gemacht. Ich habe da eine riesige Zeitreise unternommen mit ganz vielen spektakulären Dingen, die ich vorher auch nicht wusste.“
Klug, fleißig, ehrgeizig – und ohne Erfolg
Joseph Hammer kam als 13-Jähriger nach Wien und wurde dort an der orientalischen Akademie zum „Sprachknaben“ ausgebildet. Er war sehr begabt, sehr ehrgeizig, sehr fleißig – aber die große Karriere und Anerkennung waren ihm nicht beschieden, wie Stermann erzählt: „Er hat Tag und Nacht gearbeitet, er war aber nicht einnehmend, er war nicht diplomatisch, wollte aber Diplomat werden, und alle, die dümmer waren als er, sind links und rechts an ihm vorbeigezogen, und er, der mit Abstand Klügste, er wusste das, und er verstand nicht, warum das nicht alle wussten, er wurde es eben nie. Er wurde dann Gelehrter aus dieser Situation heraus, dass er nichts wurde, weil all die wichtigen Menschen damals ihn nicht haben hochkommen lassen.“
Sendungshinweis:
„Guten Morgen, Steiermark“, 27.10.2019
Ein Satz beschreibt das sehr schön: „Er war 50 und am Höhepunkt seiner Hoffnungslosigkeit“. Aber zumindest ein Traum erfüllte sich: Zumindest für kurze Zeit wurde er eben Präsident der auch auf sein jahrelanges Betreiben gegründeten Akademie der Wissenschaften.
„Typisch österreichisch“
International war er aber doch sehr angesehen – so war er etwa in Indien oder auch in Amerika Ehrenprofessor: „Es ist wirklich typisch österreichisch, man muss sterben, um berühmt zu werden, und im eigenen Land gilt man wenig, wobei er das schon ein wenig auch selbst verschuldet hat. Ich glaube nicht, dass er jemand war, mit dem man wahnsinnig gerne einen Abend verbracht hätte – vielleicht wäre es interessant gewesen, aber er war zumindest eher humorlos“, so Stermann.