Steirisches Landeswappen im Arkadenhof des Landhauses in Graz.
APA/HANS KLAUS TECHT
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Wahl 19

Das große Rittern um die Wähler

Am Sonntag wählen die Steirer einen neuen Landtag – dabei rittern sechs Parteien um fast eine Million Stimmen. Geht es nach den Umfragen, dürfte die Volkspartei Platz eins erobern; damit würde die Steiermark nach 14 Jahren wieder schwarz werden.

60 Jahre lang regierten Landeshauptleute der ÖVP die Steiermark. Erst Franz Voves konnte 2005 den Landeshauptmannsessel für die Sozialdemokraten erobern und 2010 auch verteidigen.

Die Ausgangslage

Vor der Wahl 2015 war dann der Proporz abgeschafft, und die Landesregierung wurde „frei“ verhandelt. Damals aber tat Rot-Schwarz schon vor der Wahl kund, dass man zusammenbleiben werde – was die beiden Parteien dann trotz herber Verluste auch taten.

Franz Voves, der mit der SPÖ noch knapp Platz eins halten konnte, trat jedoch zurück und übergab überraschend den Landeshauptmannposten an Hermann Schützenhöfer (ÖVP) – wohl auch, um im Land Schwarz-Blau zu verhindern, hatte doch die FPÖ mit einem Rekordergebnis zu den beiden Traditionsparteien aufgeschlossen.

Grafik zeigt Ergebnis der Landtagswahl 2015
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Die Wähler hatten die rot-schwarzen „Reformpartner“ wegen ihrer teils tiefen Einschnitte abgestraft – und die FPÖ profitierte stark nicht nur vom Ärger darüber, sondern auch davon, dass damals schon vermehrt Flüchtling nach Österreich kamen.

Geänderte Vorzeichen

Heuer haben sich die Vorzeichen geändert, und die Umfragen lassen ein ganz anderes Ergebnis erwarten: Die Steiermark dürfte wieder werden, was sie die längste Zeit – eben bis 2005 – war, nämlich schwarz dominiert, und die FPÖ wird ihren Rekordstand nach „Ibiza-Skandal“ und Spesenaffäre wohl nicht halten können.

SPÖ: Niederlage mit Ansage?

Von Platz eins aus geht die SPÖ ins Rennen – und dennoch schrieb sich ihr Spitzenkandidat Michael Schickhofer den „Schichtwechsel“ auf die Fahnen: Im Bemühen, den Landeshauptmannsessel zurückzuholen, präsentiert er sich als jung-dynamische Alternative zu Schützenhöfer – laut den Meinungsforschern sollte sich die SPÖ aber darauf einstellen, den 2005 eroberten ersten Platz zu verlieren; auch ein Abschied aus der Landesregierung könnte drohen, wenn ÖVP und FPÖ zusammengehen.

SPÖ-Wahlkampfauftakt
SPÖ Steiermark/Neves
Michael Schickhofer und die SPÖ propagieren den „Schichtwechsel“

Für ein Ergebnis wie bei der Nationalratswahl – da erreichte die Bundes-SPÖ nur 21,2 Prozent – kündigte Schickhofer „Konsequenzen“ an – und an einer solchen Marke scheiterte schon sein Vorgänger als steirischer SPÖ-Chef: Die Sozialdemokraten blieben 2015 zwar Erste, aber mit 29,29 Prozent unter den von Voves genannten 30 Prozent – und damit übergab er den Parteichefposten an Schickhofer und den Landeshauptmann an die ÖVP.

ÖVP: Zurück zu alter Stärke?

Eine prächtige Ausgangslage für die Wahl hat hingegen Schützenhöfer: Er kann – getragen von der bundesweiten ÖVP-Erfolgswelle – so gut wie sicher sein, die 14 Jahre lang rote Steiermark wieder schwarz zu färben (will er sich doch „keine türkise Krawatte“ umbinden).

Die Meinungsforscher verheißen ihm satte Zugewinne und Platz eins – samt der Möglichkeit, zwischen SPÖ und FPÖ (und vielleicht auch den Grünen) als Koalitionspartner wählen zu können: Mit der FPÖ (und den Grünen) hat Schützenhöfer schon einmal die Wahl vorverlegt. Die Bundes-FPÖ sieht er kritisch, aber mit dem steirischen Parteichef Mario Kunasek habe er eine „ordentliche Gesprächsbasis“.

FPÖ: Trotz Verlusten in Landesregierung?

Kunasek hat beim Wahlziel bereits zurückgesteckt: Angesichts der Turbulenzen im Bund nahm der ins Land heimgekehrte Ex-Verteidigungsminister etwas Abstand davon, Platz eins als Devise auszugeben. Mehr als 20 Prozent sind jetzt sein Wunsch – und Platz zwei vor der SPÖ wäre ihm (mit Blick auf die Landesregierung) besonders wichtig.

Sendungshinweis:

„Guten Morgen, Steiermark“, 22.11.2019

Bei seiner ersten Wahl war Kunasek bereits nah dran: Dank Ärger über Gemeindezusammenlegungen sowie aufgrund ihres Anti-Ausländer-Kurses holten die Blauen 2015 mit dem Rekordplus (16,10 Punkte) ihren Topwert von 26,76 Prozent – und rückten nah wie nie zuvor an SPÖ und ÖVP heran. Chancen, dieses Ergebnis zu halten, sehen die Meinungsforscher jetzt nicht mehr. Aber selbst wenn die FPÖ ihre alte Stärke nicht hält, könnte sie die SPÖ aus der Landesregierung verdrängen – wenn die ÖVP es will.

Grüne: Rekordergebnis mit Ansage?

Schlicht „stärker werden“ ist das Ziel der Grünen in der Steiermark – nachdem ihnen bei der Nationalratswahl ein Plus von 10,19 Punkten auf 12,98 Prozent im Lande und insgesamt der triumphale Wiedereinzug gelang. Aber bei den Steiermark-Wahlen blieben sie meist unter den Erwartungen, auch 2015 holten sie mit 6,68 Prozent zwar ein Rekord-, dennoch aber ein vergleichsweise bescheidenes Ergebnis.

Wahlkampf Grüne
ORF
Sandra Krautwaschl setzte im Wahlkampf auf bekannte grüne Themen

Der Einzug in die Landesregierung (in der sie in vielen Ländern schon sitzen) war in der Steiermark noch nie ein Thema. Ob es sich diesmal ausgeht, wird sich zeigen – die Meinungsforscher rechnen jedenfalls mit einem deutlichen Plus, somit dürfte die neue Spitzenkandidatin Sandra Krautwaschl gleich ein Rekordergebnis einfahren.

KPÖ: Hält das steirisches Phänomen?

Die KPÖ zittert nunmehr schon zum dritten Mal um den Verbleib im Landtag – in dem sie 2005 österreichweit einzigartig ein Comeback feierte. Geschafft hatte dieses „steirische Phänomen“ der höchst beliebte Grazer Wohnbaustadtrat Ernst Kaltenegger – mit einem Sensationsergebnis von 6,34 Prozent und dem dritten Platz. Das konnten seine Erben zwar so nicht halten, aber auch mit Nachfolgerin Claudia Klimt-Weithaler gelang es, sowohl 2010 als auch 2015 das Grazer Grundmandat zu verteidigen – mehr dazu in Die KPÖ – ein steirisches Phänomen.

Auch heuer kämpft Klimt-Weithaler wieder um den Wiedereinzug in den Landtag – und die Meinungsforscher halten das nicht für ausgeschlossen. Bei der Nationalratswahl gab es für die KPÖ in der Steiermark zwar nur 1,25 Prozent – aber das lässt keine Schlüsse auf die Landtagswahl zu. Immerhin stimmt aus Sicht der steirischen KPÖ die Richtung, denn sie legte am 29. September zu, wenn auch nur um 0,16 Prozentpunkte.

NEOS: Gelingt der Einzug?

2015 noch klar – mit nur 2,64 Prozent – gescheitert, will NEOS heuer doch in den steiermärkischen Landtag einziehen – „weil’s Zeit ist“, wie man plakatierte. Dabei hat man aber das gleiche Problem wie die KPÖ: Da es in der Steiermark keine landesweite Prozenthürde gibt, ist ein Grundmandat nötig. Das könnte NEOS – auch hier eine Parallele zu den Kommunisten – im Wahlkreis Graz und Umgebung schaffen: Bei der Nationalratswahl holte man hier fast doppelt so viele Stimmen, wie für ein Landtagsmandat nötig wären.

Niko Swatek (NEOS)
APA/ERWIN SCHERIAU
Nikolaus Swatek will NEOS auch in der Steiermark in den Landtag bringen

Mit Nikolaus „Niko“ Swatek – der 2017 schon den Grazer Gemeinderat eroberte – setzt NEOS zum Sprung in den sechsten Landtag an. Im Burgenland (das im Jänner wählt), Kärnten und Oberösterreich hat man es noch nicht geschafft.

Unaufgeregter Wahlkampf ohne Höhepunkte

Der Wahlkampf verlief unaufgeregt und ohne Höhepunkte: Thematisch stürzten sich alle Parteien bis auf die FPÖ auf das Thema Klimawandel, gefolgt von Jobs, Infrastruktur, Bildung und – vor allem von den Blauen propagiert – Sicherheit.

ÖVP setzt auf Schützenhöfer

Die ÖVP hatte verkündet, ganz im Sinne von Sparsamkeit den Wahlkampf nur knapp einen Monat lang führen zu wollen, und so begann Schützenhöfer tatsächlich erst Anfang November mit dem Wahlkämpfen für den Urnengang am 24. November: unterstützt von ÖVP-Bundesparteichef Sebastian Kurz beim Auftakt auf der Grazer Messe und zwei Tage später bei der Vorstellung des ÖVP-Programms für die nächsten fünf Jahre – mehr dazu in ÖVP-Auftakt mit Kurz und Führungsanspruch (4.11.2019) und in ÖVP will Klima zur „Chefsache“ machen (6.11.2019).

Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer und ÖVP-Chef Sebastian Kurz im Rahmen des Wahlkampf-Auftaktes der ÖVP Steiermark.
APA/ERWIN SCHERIAU
Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer will die ÖVP in der Steiermark wieder auf Platz eins bringen

SPÖ fordert „Schichtwechsel“

Beinahe unmittelbar nach dem De-facto-Koalitionsende war hingegen die SPÖ losgestartet, Schickhofer entfaltete eine umfassende Aktivität aus Touren im Land, Hausbesuchen und einer Art Wiedereinführung des von seinem Vorgänger Voves abgeschafften Pressefoyers nach der Regierungssitzung, wo er Woche für Woche eine Fülle von Vorschlägen in allen Themenbereichen präsentierte. Hatte Schickhofer anfangs Schützenhöfer wegen des von ihm sogenannten „Wortbruchs“ attackiert, so wurde das Verhältnis zuletzt wieder etwas besser – mehr dazu in Schickhofer will Stadt und Land vernetzen (14.11.2019) und in SPÖ setzt auf „Zukunft“ (8.11.2019).

FPÖ mit altbekanntem Thema

Die FPÖ beging ihren Auftakt zum Intensivwahlkampf in der letzten Oktober-Woche in Leoben, zur Unterstützung kam Bundesparteichef Norbert Hofer, im November war Ex-Innenminister Herbert Kickl als „Wahlhelfer“ für Kunasek in Gleisdorf. Im Wahlkampf versuchten die Freiheitlichen mit viel Aufwand und Mühe, das Thema Sicherheit und Migration anzuheizen, auch mit einer Landtagssondersitzung und Dringlichen Anfragen – mehr dazu in FPÖ setzt wieder auf Migration (24.10.2019) und in Landtag zu Asylgewalt: FPÖ abgeblitzt (11.11.2019).

Mario Kunasek und der „Kunibär“
APA/ERWIN SCHERIAU
Altbekannte Themen und ein altbekanntes Maskottchen bei der FPÖ und Kunasek

Grüne mit Rückenwind aus dem Bund

Recht entspannt gingen es die Grünen an, die angesichts der Bundessituation und des allgemeinem Trends zu ihrer Partei wegen des Klimathemas auf Zugewinne hoffen dürfen. Die steirischen Grünen stiegen mit ihrer schon seit Jänner feststehenden Spitzenkandidatin Krautwaschl Ende Oktober in den Wahlkampf ein, Plakate und Themen widmeten sich allen möglichen Klimaaspekten – mehr dazu in Krautwaschl: „Die Zeit ist reif für uns“ (25.10.2019) und in Grüne wollen „Verkehrswende“ für Graz (13.11.2019).

KPÖ gibt sich kämpferisch

Relativ früh legten auch die steirischen Kommunisten mit ihrer Landeskonferenz als Auftakt Anfang Oktober los. Spitzenkandidatin und Klubchefin Klimt-Weithaler und ihr Team setzten in der Folge auf persönliche Kontakte in den Bezirken und die Themen Soziales, Arbeit und Wohnen – mehr dazu in KPÖ gibt sich kämpferisch (24.10.2019) und in Max Zirngast unterstützt KPÖ (14.11.2019)

Claudia Klimt-Weithaler beim KPÖ-Wahlkampfauftakt in Graz
APA/KARIN ZEHETLEITNER
Klimt-Weithaler und die KPÖ zittern um den Wiedereinzug

NEOS: „Es ist Zeit“

NEOS startete erst in der zweiten November-Woche, dafür unterstützt von Bundeschefin Beate Meinl-Reisinger. Spitzenmann Swatek setzte seither vor allem auf die pinkfarbenen Kernthemen Bildung, Kontrolle und Transparenz – mehr dazu in NEOS setzt auf Kontrolle und Bildung (1.11.2019) und NEOS für mehr Transparenz (27.10.2019).

Filzmaier: Wahlbeteiligung entscheidend

Für den Politikwissenschaftler Peter Filzmaier ist diesmal vor allem die Wahlbeteiligung von besonderer Bedeutung, erreichte sie doch bei der letzten Landtagswahl 2015 mit 67,9 Prozent einen historischen Tiefststand: „Das bedeutet schon rein rechnerisch, dass jede Partei im Austausch mit dem Nichtwählerlager mehr Stimmen gewinnen oder verlieren könnte als im Austausch mit irgendeiner anderen Partei.“

Vier, fünf oder sechs Parteien?

Die Frage, ob es vier, fünf oder sechs Parteien in den Landtag schaffen, sei nicht nur für die potenziellen Wackelkandidaten NEOS und KPÖ von zentraler Bedeutung, denn, so Filzmaier, „die Grünen beispielsweise, die müssten ja hoffen, dass es KPÖ und NEOS knapp nicht schaffen, weil das die Mandatsberechnung beeinflusst, und damit die Chancen auf eine schwarz-grüne zumindest rechnerische Mehrheit – ob sie nun politisch gewollt ist oder nicht – steigen. Oder bei nur vier Parteien im Landtag heißt das im Umkehrschluss, dass, wenn Schwarz-Grün keine Mehrheit hat und wir jetzt eine Pattsituation einmal ausnehmen, dann würde es auch eine andere Mehrheit von Rot-Blau in welcher Reihenfolge auch immer geben.“