Dürre – trockenes Feld
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Klimakrise zwischen Dystopie und Hoffnung

Ein Thema – zwei Bücher: Während „Die unbewohnbare Erde“ von David Wallace-Wells pure Dystopie vermittelt, bleibt „Drawdown“ von Paul Hawken optimistisch – und listet 100 Projekte, Strategien und Innovationen gegen die Klimakrise auf.

Bereits 2017 schrieb David Wallace-Wells, der Chefredakteur des New York Magazine, einen Leitartikel zu den dramatischen Konsequenzen der Erderwärmung und schreckte damit Millionen Leser in den USA auf. Der Artikel wurde zum meistgelesenen in der Geschichte des Magazins und löste intensive Diskussionen aus, ob denn das wirklich alles so dramatisch werden könnte.

„Es ist schlimmer. Viel schlimmer, als Sie denken"

„Es ist schlimmer. Viel schlimmer, als Sie denken. Das langsame Voranschreiten des Klimawandels ist ein Märchen, das vielleicht ebenso viel Schaden anrichtet wie die Behauptung, es gebe ihn gar nicht.“ So gnadenlos beginnt das Buch, um dann auch auf den folgenden 260 Seiten kein bisschen milder zu werden.

„Viele Menschen verstehen den Klimawandel im Grunde als moralische und wirtschaftliche Schulden, die sich seit dem Beginn der Industriellen Revolution angehäuft haben und jetzt nach mehreren Jahrhunderten zurückgezahlt werden müssen. Dabei ist mehr als die Hälfte des durch Verbrennen fossiler Energieträger in die Atmosphäre beförderten Kohlendioxids in den letzten drei Jahrzehnten dorthin gelangt“, schreibt Wallace-Wells.

Folgen, die niemanden ausschließen

Die Folgen dieses Tuns sind hinlänglich bekannt und werden umso heftiger, je länger wir mit dem Gegensteuern warten: steigende Meeresspiegel, überschwemmte Küstenregionen, Wetterextreme, Missernten, neue Seuchen, Millionen Klimaflüchtlinge, aber auch bisher weniger beachtete Folgen.

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Folgen, die jeden Menschen treffen: „Unsere Lungen brauchen Sauerstoff. Aber er macht nur einen Teil unserer Atemluft aus, und dieser Teil wird geringer, je mehr Kohlendioxid sie enthält. Das bedeutet nicht, dass wir Gefahr laufen zu ersticken – dafür ist doch zu viel Sauerstoff da – aber wir werden leiden.“

Gruseliger als jeder King-Roman

Und speziell für eingefleischte Kapitalismusgläubige, die darauf vertrauen, dass „der Markt“ schon alles richten würde: „Eine Erderwärmung um 3,7 Grad würde Schäden im Wert von 551 Billionen Dollar verursachen, haben Untersuchungen ergeben. Dabei beträgt das weltweite Vermögen heute gerade 280 Billionen Dollar.“

Sendungshinweis:

„Guten Morgen, Steiermark“, 5.1.2019

„Die unbewohnbare Erde“ von David Wallace-Wells ist gruseliger als jeder Roman von Stephen King – vor allem auch, weil von Seite zu Seite deutlicher wird, dass hier nichts übertrieben wird. Im Gegenteil: David Wallace-Wells hat das getan, was gute Journalisten auszeichnet – er hat gründlichst recherchiert. Allein die Quellenangaben zu dem Buch nehmen über 60 Seiten ein.

Kein Resignieren

Nun könnte man ab diesem Punkt resignieren: Alles umsonst! Aber genau das ist falsch. Wir können und müssen sehr wohl etwas machen – und wie das funktionieren könnte, steht im Buch „Drawdown – der Plan“ von Paul Hawken.

Der Unternehmensberater, Umweltschützer und Bestseller-Autor aus Kalifornien beschreibt in 100 Kapiteln 100 Projekte, Strategien und technische Innovationen, mit denen sich in den kommenden Jahrzehnten der Großteil der Treibhausgase wieder aus der Atmosphäre holen ließe. Das beginnt bei der Energieerzeugung, geht über die Ernährung und die damit verbundene Landnutzung weiter zum Bauwesen und natürlich auch zu unserer Mobilität.

Durchgerechnete Kapitel

Jedes Kapitel umfasst der besseren Lesbarkeit wegen meist nur wenige Seiten, ist aber tiefstgehend recherchiert und wissenschaftlich geprüft. Auch die Sache mit den E-Autos: „Wenn bis 2050 16 Prozent der mit Privatautos zurückgelegten Kilometer elektrisch gefahren werden, lassen sich damit 10,8 Tonnen CO2 aus Verbrennungsmotoren vermeiden. Unsere Analyse berücksichtigt die Emissionen aus der Stromproduktion und die Tatsache, dass bei der Fertigung von Elektro-Autos mehr Emissionen anfallen als bei der Produktion von Autos mit Verbrennungsmotor.“

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Jede Initiative, jedes Projekt ist betriebswirtschaftlich und ökologisch von Paul Hawken durchgerechnet – was es kostet und was es bringt und vor allem, wie viel CO2 sich damit einsparen lässt.

Die Chancen sind da

Besonders interessant ist das Kapitel über die Klimawirksamkeit von besserer Bildung für Frauen und Mädchen. Dass sich Gleichberechtigung in Gigatonnen CO2 umrechnen lässt, ist beeindruckend. Übrigens, wenn Sie immer schon wissen wollten, was so eine Gigatonne tatsächlich ist: Paul Hawken erklärt es gleich auf Seite 22 seines Buches – und zwar so, dass einem der Mund offenbleibt.

Und wenn er schon offen ist, sollte man vielleicht gleich ans Ende des Buches springen: Da stehen nämlich die Zukunftsvisionen. Manches, wie die Wasserstoff-Bor-Fusion oder der Mikrobeneinsatz in der Landwirtschaft klingt utopisch, anderes, wie Viehweiden in Wäldern oder der Einsatz von Nutzhanf ist in Wahrheit uraltes, aber in Vergessenheit geratenes, bzw. bewusst schlecht geredetes Wissen, das einfach zu reaktivieren bzw. rehabilitieren wäre. Unterm Strich ist Paul Hawken überzeugt, dass „es möglich ist, bis 2050 die Klimawende zu erreichen und die Erderwärmung zurückzudrehen. Die Menschheit hat alle Möglichkeiten in der Hand. Sie muss sie nur nutzen“.