Kulturbalkon Julia Gräfner
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„Kultur-Balkon“

Julia Gräfners Lebensadern in der Krise

Die gebürtige Deutsche Julia Gräfner ist seit 2015 fixes Mitglied im Ensemble des Grazer Schauspielhauses. Bühne und Publikum sind ihre Lebensadern, aber auch in der Krise und in der bühnenfreien Zeit sammelt sie Kraft und Energie.

Ihr Schauspiel sei geballte Energie – so wird die Schauspieler Julia Gräfner beschrieben. Für die Verkörperung des Caliban in „Der Sturm“ von William Shakespeare wurde sie 2016 als „Bester Nachwuchs weiblich“ mit dem Nestroy-Preis ausgezeichnet.

Der „Kultur-Balkon“ mit Julia Gräfner

Die gebürtige Deutsche Julia Gräfner ist seit 2015 fixes Mitglied im Ensemble des Grazer Schauspielhauses. Bühne und Publikum sind ihre Lebensadern, aber auch in der Krise und in der bühnenfreien Zeit sammelt sie Kraft und Energie.

Aber auch im Stillstand versucht Julia Gräfner positive Seiten zu sehen: „Dass wir gerade gar nichts machen können, weder proben noch spielen, ist natürlich sehr seltsam. Gleichzeitig sehe ich mich in einer sehr geschützten und luxuriösen Position, dass ich diesen Stillstand genießen kann.“

Sendungshinweis:

„Steiermark heute“, 10.5.2020

Lebensader jeder Künstlerin

„Neben meiner ersten Lebensader, auf der Bühne präsent zu sein und zu spielen, gibt es auch noch eine zweite Lebensader, nämlich: eine Pause zu haben, sich wieder anzureichern, mit Begegnungen, mit Gedanken, die man sich zu Themen machen kann“, das sei, so die Schauspielerin, im beruflichen Alltag nicht immer in dieser Form möglich.

Kraft aus dem Vermissen

Mit den Schauspielerkolleginnen und Kollegen ist Julia Gräfner immer wieder in Kontakt: „Wir haben gemeinsam Ensemble-Versammlungen, die wir per ‚zoom‘ abhalten – es war schön zu bemerken, dass die anderen einen auch vermissen und dass es da ein fast liebevolles, familiäres Zusammenhalten gibt.“

Kulturbalkon Julia Gräfner
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Schauspielerin Julia Gräfner

Video mit Augenzwinkern

Die Schauspielerin fühlt sich ihrem Ensemble und dem Schauspielhaus sehr verbunden – auch sie wollte einen Beitrag in der Krise leisten und hat deshalb ein besonderes Video hergestellt, in dem sie einen Probenausschnitt zu ‚Macbeth‘ zeigt, der trotz Augenzwinkern durchaus auch einen ernsten Hintergrund zu Tage bringt.

Julia Gräfner: Probenausschnitt zu Macbeth

„Eine erste Verbindung zwischen ‚Macbeth‘ und unserer Welt heute oder unserer Welt jetzt ist für mich das Thema Despotentum und Machtmissbrauch und welche Schritte man geht, oder welche Methoden man nimmt, um diese Macht auszuweiten.“

Neuer Raum für Muse

„Ich glaube, dass wir uns ganz bewusst mit dem Zustand dieser Krise auseinander setzen sollten und nicht versuchen sollen, möglichst schnell wieder so produktiv zu sein. Im Moment denke ich, dass wir innerhalb dieser großen Fermate einen sehr konzentrierten und inhaltlichen Dialog führen müssten.“

Kulturbalkon Julia Gräfner mit Ilse Amenitsch
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Die Schauspielerin Julia Gräfner im Gespräch mit Ilse Amenitsch

Und Gräfner weiter: „Ich würde den Dingen mehr Raum geben und in vielerlei Hinsicht Muse und Langsamkeit in vielen verschiedenen Prozessen einfließen lassen, mehr als vorher – einen Schritt vom Gaspedal nehmen und Produktivität und Leistung vielleicht nicht an erster Stelle der Wichtigkeit zu setzen.“

Wieder auf die Bühne

Die Schauspielerin freut sich schon auf den ersten Auftritt nach der Krise und auf die persönliche Begegnung mit dem Ensemble und dem Publikum und spürt in diesen Moment hinein: „Für mich ist es eher ein Vertrauen in den Moment der Begegnung zwischen Kollegen und dem Publikum und mir, den ich ja kenne. Ich vertraue darauf, dass das auch aus dem Moment entsteht. Ich kann mir ziemlich gut vorstellen, dass nach einer so langen Ruhe, nach einem so langen Vermissen, nach einer Phase der Sehnsucht die Begegnung auch wieder eine ganz andere sein wird zwischen Zuschauern und Spielenden.“