Nora Seeds ist 35 Jahre alt, hat ein abgeschlossenes Philosophiestudium, war in ihrer Jugend eine erfolgreiche Schwimmerin mit großen Karrierechancen und eine talentierte Musikerin; einmal hatte sie auch den Traum, Gletscherforscherin zu werden.
Ein Leben am „Fließband der Verzweiflung“
Jetzt lebt sie allein in einer Kleinstadt, die der Autor als „Fließband der Verzweiflung“ beschreibt. Nora jobbt in einem kleinen Plattenladen, der Inhaber entlässt sie aber mit der Begründung, er könne sie nicht dafür bezahlen, dass sie mit ihrer „Miene wie drei Tage Regenwetter“ die Kunden vergrault. Am gleichen Tag wird ihre Katze überfahren, und man erfährt, dass Nora ihren Verlobten zwei Tage vor der Hochzeit verlassen hat.
Aus all ihren Plänen und Zielen ist also nichts geworden. Ein Band-Kollege aus früheren Tagen bringt es so auf den Punkt: „Ich glaube, dein Problem war Lebensangst.“ Und Noras Resümee lautet: „Das Universum hatte keine Verwendung für sie.“ Daher beschließt sie, ihrem Leben ein Ende zu setzen – so einfach soll ihr das aber nicht gelingen: Auf ihrem Weg ins Jenseits findet sie sich um Punkt Mitternacht in einer riesigen Bibliothek mit unzähligen Gängen und Regalen wieder. Die Bücher sind alle in verschiedenen Grüntönen gehalten, und sie haben alle keine Titel und keine Verfassernamen.
Sendungshinweis:
„Guten Morgen, Steiermark“, 4.4.2021
Noch einmal leben
In dieser geheimnisvollen Bibliothek trifft Nora auf Mrs. Elm, ihre alte Schulbibliothekarin, zu der sie als Kind eine enge Beziehung hatte. Diese erklärt ihr das Wesen dieser Mitternachtsbibliothek: Die Bücher seien Portale zu all den Leben, die Nora hätte leben können. So bekommt Nora plötzlich die Möglichkeit, all das umzudrehen, was ihr Leben aus der Bahn gebracht hat.
Sie taucht ein in ein Leben als gefeierte Olympia-Sportlerin, als weltberühmter Rockstar, als Ehefrau eines Pub-Besitzers und als zufriedene Mutter – und noch viele andere Leben kann sie ausprobieren. All das erweckt in ihr zuallererst den einen Wunsch: zu leben.