Urs Lüthi: „Tell me who stole your smile (Selbstporträt)", 1974
Universalmuseum Joanneum/N. Lackner
Universalmuseum Joanneum/N. Lackner
Kultur

Facetten von Gender und Feminismus

Die Neue Galerie in Graz widmet sich in der aktuellen Ausstellung „Ladies and Gentlemen“ Werken ab 1950, die sich mit dem „fragilen feministischen Wir“ auseinandersetzen. Dabei sollen verschiedene Facetten der Gender- und Feminismusdiskussion beleuchtet werden.

Die Ausstellung schließt an die Schau „Ladies First!“ an, die im Vorjahr eine Bestandsaufnahme steirischer Künstlerinnen von 1850 bis 1950 unternommen hat – mehr dazu in Die Kunst der Ladies in der Neuen Galerie (30.12.2020). In diesem historischen Teil ging es zu großem Teil auch um die Biografien der Frauen.

„Fast immer historisch“

„Es ist eine Fortsetzung, aber ein ganz anderer Blick“, betont Kuratorin Gudrun Danzer: Nun stehen die Diskussionen und Positionen rund um Feminismus im Mittelpunkt, daher wurden auch Arbeiten von Männern aufgenommen. Der Blick bleibt dabei „fast immer historisch“, meint Kurator Günter Holler-Schuster, wobei Männer als eine Art „Transformer“ wirken und das „Hin und Her zwischen den Geschlechtern“ verdeutlichen. „Ladies and Gentlemen“ soll Einblicke in wesentliche gesellschaftliche Diskurse des letzten halben Jahrhunderts bis heute vermitteln, von Feminismus und Gender Studies bis hin zur Queer-Theorie.

Ausstellungstipp:

„Ladies and Gentlemen“ – in der Neuen Galerie in Graz.

Der Titel der Ausstellung stammt von einem Bilderzyklus von Andy Warhol, der gleich zu Beginn der Schau zu sehen ist: Warhol zeigt hier einige Dragqueens als Siebdruck. Gegenüber sieht man eine Fotoserie von Urs Lüthi, in der sich der Künstler als weibliches oder auch transgender Wesen präsentiert. Waren in der ersten Ausstellung die Frauen meist auf Zeichnung und Malerei beschränkt, so bedienen sie sich hier auch der Skulptur und in wachsendem Maß auch neuer Medien. Valie Export ist nicht nur mit ihrem „Zyklus zur Zivilisation“ zu sehen, sondern auch mit ihrer Videokunst.

VALIE EXPORT: „Zyklus zur Zivilisation“, 1972
Universalmuseum Joanneum/N. Lackner/VALIE EXPORT
VALIE EXPORT, „Zyklus zur Zivilisation“, 1972

Kritik am „typisch Weiblichen“

Das vermeintlich typisch Weibliche wird vermischt mit der Kritik an dieser Zuordnung: So zeigt Petra Maitz Fotografien von Frauen im gehäkelten Bikini mit angehäkeltem Penis. Auch Hausarbeit ist Thema, der Staubsauger als Synonym für weibliche Beschränkung findet sich in mehreren Arbeiten. Auch Schuhe oder Strümpfe sind Thema, so bei Sylvie Fleurys „Schuhschrank“, eine Installation, die aus einem mit vorwiegend goldenen und auffälligen Schuhen bestücktem Regal besteht. Lisa Reiter spannt Nylonstrümpfe über Kupferrohre – mehr dazu in Lisa Reiter: Feinstrumpf als Medium –, und Nicole Trans Ba Vang zeigt den Frauenkörper mit Reißverschlüssen und Verschnürungen direkt in der Haut.

Nicole Tran Ba Vang: „ohne Titel 05 (aus: Collection printemps/été 2001)“, 2001
Universalmuseum Joanneum/N. Lackner
Nicole Tran Ba Vang, „ohne Titel 05 (aus: Collection printemps/été 2001)“, 2001

Klassiker wie die Arbeiten von Niki de Saint Phalle oder Maria Lassnig sind ebenfalls zu sehen. Shirin Neshat, der vor einigen Jahren eine eigene Ausstellung gewidmet war, ist mit einem Bild aus ihrer Serie „Women of Allah“ vertreten: Die Fotografie zeigt eine vollkommen verschleierte Frau, die auch das gesamte Gesicht blickdicht verhüllt hat, mit einem nackten Knaben an der Hand.

Sendungshinweis:

„Steiermark heute“, 24.10.2021

Der Krieg als männlich Domäne

In einem Raum geht es um Krieg als männliche Domäne: Darin findet sich auch eine Installation von Renée Green, einer amerikanischen Autorin und Filmemacherin – sie hat eine Sitzgruppe aus Bank, Sessel und Tisch gestaltet. Die Sitzmöbel und die Wand dahinter sind mit Stoffen bespannt, die auf den ersten Blick die typischen Schäferszenen zu zeigen scheinen – bei näherem Hinsehen sind aber die Taten abgebildet, die schwarzen Frauen bei der Kolonialisierung angetan wurden.

Abgeschlossen wird die Ausstellung mit einem Blick auf den klassischen Feminismus seit den 1970er-Jahren, als Valie Export in einem Manifest forderte, Künstlerinnen sollten bewusstseinsverändernd wirken, erläutert Danzer.