„Franz – Schwul unterm Hakenkreuz“
Kremayr & Scheriau
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Schwul unterm Hakenkreuz

Mit einem lange unbeachteten Kapitel der Justiz im Nationalsozialismus beschäftigt sich Jürgen Pettinger in seinem neuen Buch „Franz. Schwul unterm Hakenkreuz“.

Am Beginn des Buches sitzt Franz Doms in einer Zelle und wartet auf seine Hinrichtung – was aber war sein Verbrechen? „Er war schwul. Er hat nichts angestellt. Er hat sich mit mehreren Männern im Laufe seiner Jugendjahre getroffen, Beziehungen hat es nie wirklich gegeben, das war zu dieser Zeit auch kaum möglich, weil es eben total verboten war, mit sehr strengen Strafen bedroht war“, erzählt Pettinger.

Sendungshinweis:

„Guten Morgen, Steiermark“, 21.11.2021

So wurde Doms mehrfach verurteilt, war immer wieder in Haft, bis er schließlich im Alter von 21 Jahren hingerichtet wurde. Homosexuelle wurden in Österreich bis 1971 strafrechtlich verfolgt: „Gleichgeschlechtliche Liebe war in Österreich bis 1971 total verboten, bis dahin wurden die Menschen auch staatlich beinhart verfolgt und haben mehrfach in ihrem Leben mehrjährige Haftstrafen aufgebrummt bekommen.“ Auch danach gab es noch viele Diskriminierungen per Gesetz, die zum Teil erst zu Beginn des 21. Jahrhunderts aufgehoben wurden.

Keine Zeitzeugen

Damit lässt sich auch erklären, warum über die Verfolgung Homosexueller im Dritten Reich nicht viel bekannt wurde, sagt Jürgen Pettinger: „Deshalb gibt es natürlich auch keine Zeitzeugen aus dieser Zeit, weil die haben sich nie etwas sagen getraut, weil sie ja immer noch bis ins hohe Alter dann mit Repressalien rechnen mussten. 2004 zum Beispiel erst wurde schwule Männer als Opfergruppe des NS-Terrors anerkannt, da waren die Überlebenden steinalte Männer, und kein einziger hat zum Beispiel um Schadenersatz angesucht, weil die, die überlebt haben, wollten sich nicht im hohen Alter vor Behörden outen.“

„Franz – Schwul unterm Hakenkreuz“
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Auf das Schicksal des Franz Doms ist Jürgen Pettinger im Zuge seiner journalistischen Arbeit über die Diskriminierung Homosexueller gestoßen: Im Wiener Stadt- und Landesarchiv entdeckte er eher zufällig den Ermittlungsakt des jungen Mannes, „und das erste, was ich beim Aufblättern dieses Stapels Papier gesehen habe, war dieses Hinrichtungsprotokoll, wo sekundengenau aufgelistet ist, wann was passiert ist in seinen letzten Minuten, und das hat mir einen derart kalten Schauer über den Rücken getrieben, und seither hat mich Franz Doms nicht mehr losgelassen, und es war mir wirklich ein Bedürfnis, seine Geschichte zu erzählen“.

„Er hat sich nie gebeugt“

Im ehemaligen Hinrichtungsraum am Landesgericht Wien gibt es eine Gedenktafel mit den Namen der Opfer des Nationalsozialismus – ein Name fehlt, der von Franz Doms: „Das hat eben damit zu tun, dass eben auch nach der Nazizeit Homosexualität strafbar war und man sozusagen davon ausgegangen ist, dass er ein ‚rechtmäßiger‘ Krimineller war, sozusagen der Serienmörder, der damals auch dort hingerichtet wurde, der hängt ja auch nicht auf dieser Wand. Wir wissen heute, dass er einfach kein Verbrecher war, und ich würde sogar so weit gehen, für mich ist Franz Doms sogar ein äußerst widerständiger Mensch. Ich würde nicht sagen, dass er Widerstandskämpfer war, das war er sicher nicht, aber er war mit jeder Faser seines Andersseins und mit jeder Faser seines Lebens von Geburt an im Widerstand zu seiner gesamten für ihn völlig giftigen und schädlichen Umwelt, und ich muss schon sagen, und das wissen wir eben aus diesen Naziakten – er hat sich nie gebeugt“, so Pettinger.