Bauten der sogenannten „Grazer Schule“
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Kultur

Studierende als Retter der „Grazer Schule“

Die „Grazer Schule“ ist ein Phänomen der jüngeren Architekturgeschichte und von internationaler Bedeutung. Doch viele der Bauten aus den 70er- und 80er-Jahren sind mittlerweile vom Abriss bedroht. Eine Gruppe Studierender will das verhindern.

Die Zeitschrift „SOS Grazer Schule“ dokumentiert 125 herausragende Bauten aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Studierende am Institut für Architektur-Theorie begutachteten diese unter der Ägide von Instituts-Leiter Anselm Wagner und Universitäts-Assistentin Sophia Walk. Mithilfe dieser Publikation will man diese laut Studierenden schützenswerten Objekte vor einem Abriss bewahren.

Bauwerke geraten „zunehmend unter Druck“

„Die Intention war, dass wir beobachten, dass sehr viele Bauwerke hier in Graz, die nach 1945 entstanden sind, die aber jetzt nicht in der Altstadtschutzzone liegen und auch nicht unter Denkmalschutz stehen, dass die zunehmend unter Druck geraten. Das heißt, sie werden entweder abgerissen, oder sie werden aufgrund von energetischen Überlegungen derartig verändert, dass der baukünstlerische Wert verloren geht“, sagt Herausgeber und Architektur-Professor Anselm Wagner.

Zeitschrift „SOS Grazer Schule“ zur Rettung von Bauten der „Grazer Schule“
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Die Zeitschrift „SOS Grazer Schule“ weist 125 Objekte außerhalb der Altstadtschutzzone weist aus

Neues Begutachtungssystem gefordert

Vielfach betreffe das auch Gebäude der Grazer Schule. Eines der am unmittelbarsten bedrohten Gebäude ist ein Zubau des Architekten Manfred Zernig am Schulbau der landwirtschaftlichen Schule Alt-Grottenhof – hier könnten schon bald die Abrissbagger anrollen.

Wagner fordert daher ein neues Begutachtungssystem – nach Vorbild der Wiener MA 19 – das eine automatische Bewertung für Bauten nach 1945 vorsieht, sobald bauliche Maßnahmen geplant sind. „Hier müsste das Bundesdenkmalamt durchaus auch progressiver vorgehen und auch Gebäude unter Schutz stellen, die vielleicht jünger sind als 60 oder 70 Jahre – da denke ich, könnte schon mehr passieren in diese Richtung“, so Wagner.

Bundesdenkmalamt sieht Zukunft für einige Bauten

Beim Bundesdenkmalamt betont man, dass auch Gebäude der jüngeren Bau-Geschichte laufend evaluiert werden. Hier gelte es individuell auf die – sehr unterschiedliche – Qualität der Gebäude einzugehen, betont Christian Brugger, Leiter des Bundesdenkmalamtes in der Steiermark: „Die Chancen sehe ich insofern sehr groß, als das wir bereits -unabhängig jetzt von dieser Aktion des Professor Wagner und seines Teams – ja schon derartige Objekte auch bei uns am Programm haben.“

Bauten der sogenannten „Grazer Schule“
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Von einem möglichen Abriss betroffen ist etwa der Zubau an der Landwirtschaftlichen Schule Alt-Grottenhof

Zudem habe man im Falle einer geplanten baulichen Veränderung ohnehin die Möglichkeit diese mittels Sachverständigen-Gutachten zu bremsen, so Brugger: „In dieser Situation werden wir natürlich dann zu beurteilen haben, wer ist schneller, die Abrissbirne oder doch wir – indem wir dann als Anlassfall gewissermaßen etwas herausnehmen. Also das bedeutet jetzt nicht, dass das systematische Programm verhindern würde, dass, wenn irgendwo für ein besonderes Objekt Gefahr droht, dass wir nicht sofort aktiv werden können.“

Sendungshinweis:

„Der Tag in der Steiermark“, 1.12.2021

Dennoch räume man nicht allen Gebäuden gleich gute Aussichten ein, so Brugger: „Es werden sicherlich einige Chancen haben in die fernere Zukunft zu schauen, aber es werden auch sicher etliche dabei sein, die wahrscheinlich nicht dieses Potenzial in sich tragen.“

Wagner ortet Aufholbedarf

Anselm Wagner will die Verantwortlichen der Stadt Graz jedenfalls für diese Problematik sensibilisieren: "Wir möchten hier mit der neuen Stadtregierung über diese Thematik ins Gespräch kommen und auch hier den Vorschlag machen, dass man sich mit den zuständigen Stellen in Wien hier in Verbindung setzt und überlegt, ob man nicht das Wiener Modell auf Graz übertragen könnte. Denn Graz habe in puncto Schutz von Gebäuden der jüngeren Baugeschichte etwas aufzuholen.