Florian Neuner
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Kultur

Zu Besuch bei Stadtschreiber Florian Neuner

Seit 1988 gibt es das Amt des Grazer Stadtschreibers. Ein Jahr lang gehen Schriftstellerinnen und Schriftsteller in einer Wohnung am Schloßberg literarischen Projekten nach. Zurzeit hat der 50-jährige Autor Florian Neuner das Amt inne.

„Wenn der Stadtschreiber von seinem Domizil auf dem Schloßberg erzählt, vermuten seine Zuhörer, dass sein Ausblick aus der Dichterklause grandios sein müsse – aber das stimmt gar nicht“, schreibt der Stadtschreiber. Die Dichterklause im Cerrini-Schlössl am Fuße des Uhrturms ist aber dennoch ein perfektes Refugium für literarische Muse: „Jeder Graz-Besucher wird auf den Schloßberg gelotst; direkt am Kölner Dom oder am Brandenburger Tor zu wohnen, muss ein ähnliches Gefühl sein.“

Sendungshinweis:

„Steiermark heute“, 21.2.2022

Ein Gefühl, das Florian Neuner seit September 2021 begleitet – seitdem ist der gebürtige Oberösterreicher und Wahl-Berliner Stadtschreiber in Graz: „Für Graz vorgenommen habe ich mir eine literarische Stadtforschung. Solche Projekte habe ich bereits im Ruhrgebiet gemacht und auch im amerikanischen Rustbelt.“

„Was stößt einen ab, was spricht einen an?“

Dabei interessiert ihn vor allem der subjektive Blick auf die Stadt: „Wie erlebt man eine Stimmung in einer Straße, was spricht einen an, was stößt einen ab, wo fühlt man sich wohl und wo treibt es einen hin?“ Den Stadtschreiber treibt es bei seinen literarischen Forschungsspaziergänge nicht ins Stadtzentrum, sondern in die Peripherie.

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„Mich interessieren Spannungszonen, wo verschiedene Elemente, Atmosphären, Architekturen zusammenstoßen“, so Neuner

Sämtliche Eindrücke sollen schließlich in einem Buch literarisch verarbeitet werden. Doch bereits jetzt entstehen Kolumnen, die in der Berliner Zeitung „Junge Welt“ 14-tägig erscheinen: „Neuerlich habe ich über die Farbe Grün geschrieben, die in Graz und in der Steiermark eine geradezu penetrante Rolle spielt. Ich habe mich auch mit den Helden beschäftigt, die hier natürlich auch alle einen Heldentod sterben, als Sportler verunglücken oder sich als Schriftsteller zu Tode saufen.“

Herz für Grazer Gastronomie

Dennoch schätzt Florian Neuner die heimische Literaturszene rund um die Grazer Gruppe der 60er-Jahre sehr. Und noch etwas mag er an Graz: „Die gastronomische Seite – wir dürfen nicht vergessen, ich lebe hauptsächlich in Berlin, wo es keine Esskultur gibt“, lacht der Stadtschreiber, der noch ein halbes Jahr lang die heimische Kulturszene bereichern wird – in Graz, offensichtlich einer Stadt der Kultur auf vielen Ebenen.