Lessezeichen

Wie wir essen

Wie essen Sie? Sitzen oder stehen Sie? Oder wie lange benutzen Sie Servietten? Die beiden österreichischen Künstler Sonja Stummerer und Martin Hablesreiter versuchen in ihrem bemerkenswerten Buch „Wie wir essen“ genau solche Fragen zu beantworten.

Essen ist also viel mehr als nur Nahrungsaufnahme – Essen ist Kultur, diese Kultur ist aber sehr wenig erforscht, sagt Sonja Stummerer: „Es gibt ganz wenig bis fast gar nichts darüber, wie sich die Tischkultur entwickelt hat, warum etwa essen wir mit Messer, Gabel und Löffel und seit wann?“

Warum essen wir mit langen Löffeln?

Bis ins 16. Jahrhundert waren etwa Löffel kreisrund und mit einem dünnen, kurzen Stiel versehen, den man mit der ganzen Faust umfasste. Die heute üblichen, breiteren und mit 24 bis 36 Zentimeter deutlich längeren Stiele verdanken wir vermutlich einem Modetrend der Renaissance: Um mit einer ausladenden Halskrause, wie man sie in jener Zeit trug, mit dem Löffel zum Mund zu reichen, musste der Stiel einfach entsprechend lang sein.

Sendungshinweis:

„Guten Morgen, Steiermark“, 3.4.2022

Ein weiterer Grund für die Verlängerung des Löffelstiels dürfte die zunehmende Verwendung des Esstischs gewesen sein. Wenn die Essenden um einen Tisch sitzen und aus einer gemeinsamen Suppenschüssel essen, müssen die Löffel lang genug sein, um in die Mitte zu reichen.

Mit den längeren Stielen veränderte sich auch die Köperhaltung bei Tisch: Hing man einst mit dem Gesicht mehr oder weniger direkt über der Schüssel, aus der man mit dem kurzen Löffel direkt in den Mund schaufelte, so kann man mit langen Löffeln aufrecht und elegant sitzen.

„Wie wir essen“ – Cover
böhlau

Apropos Eleganz: Bei uns ist es ja durchaus üblich, sich für ein feines Essen auch elegant zu kleiden – in anderen Ländern ist das anders, erzählt Stummerer: „In Japan zum Beispeil gibt es die Tradition, dass man ein schönes Abendessen auch in einem sehr bequemen Yukata, so einer Art Kimono, der ein bisschen wie ein Bademantel ist, einnehmen darf, die alten Römer haben das auch gemacht.“

Essen in ungewohnten Situationen

In sehr aufwendig gestalteten Fotos inszenieren Sonja Stummerer und Martin Hablesreiter sich und das Essen in ungewohnten Situationen – wenn sie also zum Beispiel eine Pizza mit einer Stichsäge anstatt eines Messers schneiden oder einen Fisch mit dem Florett zerteilen – und auch der schöne Schlagertext „Lass mich doch Dein Badewasser schlürfen“ gewinnt im Buch eine völlig neue, bildliche Bedeutung.