Wörterbuch Duden
APA/dpa/Uli Deck
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Wenn Wörter auf Wanderschaft gehen

Schweden beschimpfen einen als „Besserwisser“, und Amerikaner schicken ihre Kids in den „Kindergarten“: Der Germanist und Journalist Matthias Heine hat in seinem Buch „Ausgewanderte Wörter“ deutsche Begriffe gesammelt, die es in fremde Sprachen geschafft haben.

Schon längst verschwimmen Sprachgrenzen: „Cool“ als Ausruf für etwas Tolles zu sagen, rutscht ebenso selbstverständlich über die Lippen, wie Kollegen zu einem „Meeting“ zu rufen. Die Liste der sogenannten Anglizismen ist lange. Die deutsche Sprache geht verloren, sagen die einen – die deutsche Sprache wird erweitert, so die anderen. Auf jeden Fall gilt aber Vorsicht bei sprachfeindlichen Aussagen: Auch das Deutsche ist nämlich eine durchaus invasive Sprache.

Deutsch auf Reisen

Die Bandbreite der in die ganze Welt ausgewanderten deutschen Wörter reicht tatsächlich von A bis Z. Das Finnische kennt zum Beispiel das Wort „anfangi“: Es beschreibt den Großbuchstaben, der typografisch den Anfang eines Textes markiert. In einer britischen Fernsehsendung übten sich Stars – oder zu Deutsch Promis – beim „abseil down“ mit einem „rucksack“ am Rücken. Und sogar das sonst so fremdsprachenresistente Japanische kennt den Begriff „arubaito“: Im fernen Osten ist damit nichts anderes als Teilzeitarbeit oder ein Niedriglohnjob gemeint.

„Ausgewanderte Wörter“ – Cover
Dumont-Verlag

Wer weiß es besser?

Eine regelrechte Fremdsprachenresistenz wird auch den Isländern vorgeworfen – neue fremde Wörter werden nicht adaptiert, vielmehr wird alles in ihre sehr alte nordische Sprache übertragen. Trotzdem ist auf der Atlantikinsel eines der meistverwendeten Wörter „maltid“ für Mahlzeit, und sogar den „Besserwisser“ kennt man in Island – in Schweden übrigens auch, wo von 2007 bis 2008 sogar eine Quizshow mit diesem Namen im Fernsehen lief.

Wanderung nach Osteuropa

In Bulgarien gibt es die „Bormaschina“, und in Russland geht man fürs Haareschneiden zum „Parikmacher“: Die Haarpflege beim Mann war früher nämlich nur ein Nebenzweig der Bartpflege und wurde vom Barbier erledigt – ein eigener russischer Begriff war nicht notwendig. Erst als sich die Mode des Perückentragens von Frankreich aus in ganz Europa und damit auch in Russland verbreitete, kam der neue Beruf auf – und das deutsche Wort wanderte mit.

Sendungshinweis:

„Guten Morgen, Steiermark“, 21.8.2022

Nützlich im Bau

Die deutsche Sprache schafft es auch nach Übersee: In der Republik Nauru verwendet man zum Nägel einschlagen nach wie vor den „amar“, nah verwandt mit dem deutschen „Hammer“. Das stammt aus jener Zeit, als Guano – hart gewordener und mit Kalk vermischter Kot von Seevögeln – wie im klassischen Bergbau mit Vorschlaghämmern abgebaut wurde. Viele nauruische Arbeiter dürften hier zum ersten Mal ein solches Werkzeug in der Hand gehalten und das deutsche Wort dafür gehört haben.

Kurzweiliges Lesevergnügen

„Ausgewanderte Wörter“ von Matthias Heine bietet unterhaltendes und lehrreiches Lesevergnügen gleichermaßen, hervorragend geeignet als Strand-, aber durchaus auch als Gute-Nacht-Lektüre: Die einzelnen Kapitel sind kurz und prägnant, man kann gut kreuz und quer lesen und braucht sich nicht zu fürchten, den Anschluss zu verlieren.