Frauen beim Spinnen
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Lifestyle

Das gemeinsame Spinnen als sozialer Anker

Das Spinnrad ist seit dem 13. Jahrhundert in Mitteleuropa verbreitet. Im Mürztal gibt es eine Damenrunde, die ihre Spinnräder seit 45 Jahren am Laufen hält und sich einmal in der Woche zum geselligen Faden zusammenfindet.

Von Anfang November bis Mitte März laufen in Kapellen einmal wöchentlich die Spinnräder auf Hochtouren – und das bereits seit mehreren Jahrzehnten.

„Bei uns heroben hat es immer Schafe gegeben, aber wir haben unsere Wolle nach Langenwang in eine kleine Fabrik bringen können und haben dafür fertige Wolle nehmen können. In den 1970er-Jahren hat die Fabrik zugemacht, und dann mussten wir was finden. Dann haben wir auf unserem Bauernhof Frauen mit Spinnrad eingeladen, und so hat das begonnen“, erzählte Ingrid Deininger, die Leiterin der Spinnrunde.

Leiterin der Spinnrunde
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Ingrid Deininger ist die Leiterin der Spinnrunde in Kapellen im Mürztal

Ein Nutzgegenstand von großem Wert

Die Geschichte der Handspindel geht vermutlich auf die Zeit um 6.000 vor Christus zurück. Das Spinnrad zählte einst zur unverzichtbaren Ausstattung einer Braut – schön ausgezierte Exemplare hat man den jungen Mädchen laut Deininger mit auf den Weg gegeben: „Es hat eigentlich meistens jede Frau eine Spinnnadel bekommen, wenn sie geheiratet hat. Das war aber sehr heikel. Die Kinder durften das nicht angreifen und ja nichts kaputtmachen, weil man es ja bis ins hohe Alter gebraucht hat.“

Sendungshinweis

„Steiermark heute“, 28.1.2023

Austausch zwischen Generationen

In der ehemaligen Bankfiliale, wo man sich heute trifft, wird kein Stroh zu Gold gesponnen – dieser Tage ist sie eher eine Wechselstube, in der kostbare Lebenserfahrungen zwischen den Generationen ausgetauscht werden.

„Die Ingrid war meine Volksschullehrerin, und sie hat mich damals gefragt, ob ich das probieren möchte. Das Spinnrad habe ich von meiner Oma geerbt, und das hat damals vor zehn Jahren eigentlich begonnen“, sagte Katharina Tautscher, das jüngste Mitglied der Gruppe.

Janker
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In den Produkten, die bei der regelmäßig angesetzten Spinnrunde entstehen, ist die Kreativität und Erfahrung der Produzentinnen zu erkennen

Das Treffen als Höhepunkt an dunklen Tagen

In den Produkten der Spinnrunde Kapellen spiegelt sich auch der Gedankenreichtum der Damen wider. Aus der Sicht von Ingrid Deininger sind es drei Aspekte, weshalb sich die Spinnräder noch lange drehen sollten: „Erstens, dass das Handwerk nicht ganz in Vergessenheit gerät, zweitens, dass man zeigen kann, was man aus der Schafwolle alles machen kann, und das Dritte ist der soziale Aspekt, dass wir in den dunklen Winternachmittagen zusammenkommen. Jeder freut sich darauf, wir singen, plaudern und dann jausnen wir auch noch ein bisschen.“

Bis 14. März drehen sich die Spinnräder noch jeden Dienstag, und dann werden sie bis November wieder auf die Seite gestellt.