„Zur schönen Aussicht“
ORF
ORF
KULTUR

Düster-bissiger Horvath im Schauspielhaus

Vor 100 Jahren hat der Schriftsteller Ödön von Horvath mit „Zur schönen Aussicht“ eine düster-bissige Komödie über gescheiterte Existenzen in einem heruntergekommenen Hotel geschrieben. Jetzt ist das Stück in der Regie von Anica Tomic wieder in Graz zu sehen.

1969 am Grazer Schauspielhaus uraufgeführt, kehrte das Drama nun nach Graz zurück. Es ist ein Tanz vor dem Abgrund, den Ada von Stetten im Hotel „Zur schönen Aussicht“ vollführt. Denn die Aussichten sind trüb: Das Haus steht vor dem Bankrott. Angeführt von Hoteldirektor Strasser, versucht sich eine Gruppe von Männern fragwürdiger Vergangenheit über Wasser zu halten – und zwar mit Adas Geld.

„Zur schönen Aussicht“
ORF

Männer und Macht

Es ist eine geschlossene, patriarchale Gesellschaft kurz vor dem Kollaps und ungemein aktuell. „Das Patriachat machen nicht nur die Männer. Es geht vielmehr um Macht: das ist die Kraft, die unsere Welt heute steuert“, so Anica Tomic, die auf Punkt und mit viel Witz inszeniert. Sie zeigt das Hotel als Matrix, aus der es kein Entkommen gibt.

„Die Männer sind gefangen in einem System und zwar in ihrem eigenen System. Jeder hat die Möglichkeit aus diesem System auszubrechen, sich anders zu entscheiden und doch können oder wollen sie nicht“, so Schauspieler Fredrik Jan Hofmann

„Zur schönen Aussicht“
ORF

Als Strassers Sommerliebe ihn mit dem gemeinsamen Kind konfrontiert, wollen die Männer die junge Frau psychisch zerstören. Ein noch immer existenter Gewaltakt, auf den Tomic mit ihrer Initiative „Schütze mich“ aufmerksam macht. „Der Versuch ihre Wahrnehmung zu zerstören, ist wirklich gefährlich. Wenn man keine starke Identität hat, kann man sich schnell verlieren“, so Tomic.

Sendungshinweis:

„Steiermark heute“, 17.3.2023

Alte Strukturen und neue Auswege

„Zur schönen Aussicht“ am Grazer Schauspielhaus ist ein Stück über alte Strukturen, weibliche Solidarität und neue Auswege. Tomic denkt das Horvath-Drama weiter und zeigt es als Stück über weibliche Selbstbestimmung. „Ich kann gehen, jeder Zeit. Die Männer nicht. Aber ich bleibe, solange es mir gefällt, und so lange ich das möchte“, so Schauspielerin Steffi Krautz.