Eine russische Schwimmbad-Kirche – halb Schwimmbecken, halb Sakralraum – bildet die Bühne, auf der das Stück angesiedelt ist: „Diesen Raum gibt es tatsächlich, das ist die Petrikirche in Sankt Petersburg. In der war ich selber vor einigen Jahren, und die hat uns als Inspiration geholfen“, erzählte Anika Rutkofksy, die Regisseurin des Stücks.
In dem engen Raum herrscht die Doppelmoral: Während sich rundum alle geheim vergnügen, gesteht die gläubige Hauptfigur Katja später offen ihren Ehebruch und geht verzweifelt darüber ins Wasser. „Wir haben eine feministische Perspektive auf das Stück gelegt, in dem wir versuchen, diese weibliche Lust Katjas zu entpathologisieren“, so Rutkofksy.
Ein Beitrag zur Enttabuisierung
Liebe, Lust und Moral – der Altar der Bühnenkirche ist einem überdimensionalen weiblichen Geschlechtsteil nachempfunden, wie die Regisseurin erklärte: „Wir möchten es gerne als Enttabuisierung von weiblicher Lust gelesen haben. Das Publikum darf sich gerne fragen: ‚Schaue ich da in ein weibliches Geschlecht?‘ Ja, das tut man tatsächlich und es ist vollkommen normal, dass Frauen genau diese Lust empfinden können und empfinden sollten.“
Sendungshinweis:
„Steiermark heute“, 18.3.2023
Musik nahe an der Sprachmelodie
Die Oper „Katja Kabanova“ ist mehr ein symphonischer Fluss als eine vielteilige konventionelle Oper. Komponist Leos Janacek setzt laut Roland Kluttig, Chefdirigent der Oper Graz, die Musik ganz nahe an die tschechische Sprachmelodie: „Es wird quasi realtime gesprochen, so wie man im Tschechischen spricht. Und daraus sind auch die Motive für das Orchester entwickelt – in vielen Fällen. Das macht es geradezu unmöglich, Janacek in eine andere Sprache zu übersetzen.“ Die finnische Sopranistin Marjukka Tepponen glänzt als Katja im dichten Sprachmusik-Zusammenspiel, das Begehren, Erfüllung, Reue und Moral dem Publikum nahebringt.