Defekte Implantate: Für Ärzte ein „Krimi“

Mit fünf Schuldsprüchen hat in Marseille der Prozess um defekte Brustimplantate geendet. Betroffen waren auch Steirerinnen. Ärzte - unter ihnen ein steirischer Chirurg - sprechen von einem „Krimi“ und wollen eine zwingende Beteiligung am Implantatregister.

Brustimplantat

APA/Roland Schlager

Vier mitangeklagte frühere PIP-Mitarbeiter wurden ebenfalls schuldig gesprochen

Die PIP-Affäre hatte weltweit für Aufsehen gesorgt. Im weltweiten Skandal um Billigbrustimplantate wurde der Gründer der französischen Herstellerfirma PIP am Dienstag in Marseille zu vier Jahren Haft verurteilt. Der Strafverteidiger des 74-Jährigen kündigte umgehend an, Berufung gegen das Urteil einzulegen - mehr dazu in Defekte Brustimplantate: Vier Jahre Haft für Firmenchef (news.ORF.at).

Der Angeklagte hatte zugegeben, die Brustimplantate mit einem nicht zugelassenen, billigeren Industriesilikon gefüllt zu haben. Die Einlagen reißen schneller und werden für Entzündungen verantwortlich gemacht. Viele Patientinnen hatten geklagt, auch zwölf Frauen aus der Steiermark schlossen sich der Sammelklage an.

Experten: Mehr Kriminalfall als Medizinstory

Doch laut österreichischen Experten ist der am Dienstag in Marseille mit einem Strafurteil erstmals juristisch gewertete Skandal eher ein „Kriminalfall“ als eine „Medizinstory“. Sie äußerten die Forderung nach zwingender Beteiligung am bestehenden Implantatregister.

Gesetz gefordert

„Bei uns hat es drei Patienten betroffen, die von einer Kollegin in Österreich solche Implantate bekommen hatten. Sie meldete nicht an das Implantatregister. Bei uns beteiligen sich 75 Prozent an dem Register. Es wäre ein Gesetz zu fordern, in dem die Pflicht zur Meldung aufgenommen wird“, sagte der steirische Experte Helmut Hoflehner. Die Plastischen Chirurgen hätten bei der jüngsten Neuregelung bezüglich der Altersgrenzen für schönheitschirurgische Eingriffe bei Jugendlichen eben auch gleich die Etablierung einer solchen Verpflichtung verlangt. Dem sei das Gesundheitsministerium aber nicht nachgekommen.

Zahl der Fälle in Österreich überschaubar

Zum Glück, so Hoflehner, sei die Zahl der Fälle mit PIP-Implantaten in Österreich auch insgesamt überschaubar gewesen: „Es waren vor allem Patienten, die sich im Ausland Implantate einsetzen haben lassen.“ Da sollten die Konsumenten immer darauf drängen, genau und belegbar zu wissen, was mit ihnen geschehe. Der Experte: „In Thailand hat man Patienten mit Wasser gefüllte Präservative statt Implantate eingesetzt.“

Chirurg Umschaden: Betrugsfall

Ähnlich äußerte sich auch der Plastische Chirurg Johann Umschaden aus der Steiermark: „Die Sache hatte mehr damit zu tun, dass da Implantate mit billigem Industriesilikon befüllt und die CE-Zertifizierung getäuscht worden ist.“ Das sei ein Kriminal- bzw. Betrugsfall. Obwohl in Europa Hunderte der Implantate bereits entfernt worden seien, habe man bisher noch keinen echten Zusammenhang zwischen den PIP-Implantaten und gesundheitlichen Schäden nachweisen können - so die Implantate eben intakt geblieben seien.

Für europaweite Versicherung

Großer Schaden, so der Experte, sei trotzdem entstanden: durch Ängste und Verunsicherung der Patienten. Beim Schadenersatz könne nur eine europaweite Versicherung im Rahmen der CE-Zertifizierung eine echte Verbesserung bringen. Sei ein Implantat defekt, müsse es ausgetauscht werden. Bei intakten Implantaten des französischen Unternehmens, so der Fachmann, seien aber Nutzen und Risiken einer chirurgischen Entfernung ebenfalls genauestens abzuwägen und Ratschläge zu solchen Operationen kritisch anzusehen.

Dazu auch Rupert Koller, Plastischer Chirurg in Wien: „In Österreich selbst sind nur sehr wenige dieser Implantate eingesetzt worden, die Mehrzahl in Ländern wie Großbritannien, den Niederlanden und Frankreich. Die verpflichtende Beteiligung an dem Implantatregister ist eine alte Forderung der Gesellschaft für Plastische Chirurgie.“