Prozess zu Kapfenstein-Explosion hat begonnen
Der 33-jährige Steirer - Arbeiter und Chef einer Pyrotechnikfirma - wird von der Staatsanwaltschaft als Kopf der illegalen Böllerproduktion gesehen: Zumindest seit Februar 2014 soll er zusammen mit einem 35-Jährigen aus Kapfenstein und dessen Bruder Tausende Blitzknallsätze unter Verwendung von „absolut untauglichen Fertigungsmitteln“ hergestellt haben; zusammen mit teilweise ungeschulten Hilfskräften sei die Pyrotechnik „dilettantisch“ hergestellt worden.
Besondere Gefahr bestand laut Staatsanwaltschaft, weil in der „improvisierten Vermengung“ der einzelnen Komponenten ohne labortechnische Qualitätskontrolle gearbeitet wurde - die Misch-Chargenmengen lagen laut Anklage zum Teil bei fünf Kilogramm.
Bastelwerkstatt ging in die Luft: Zwei Tote
Als die Herstellung der Knallkörper im Privathaus des 33-Jährigen keinen Platz mehr hatte, sei man auf das Anwesen der Brüder ausgewichen. Dort kam es am Abend des 17. November 2014 zur Detonation von zumindest 25 Kilogramm Böllern, wobei es nur „glücklichen Umständen“ zu verdanken sei, dass nicht weitere 175 Kilogramm lagernde Böller mitexplodierten, so der Ankläger.
Einer der beiden Brüder sowie der Vater, der gerade in der Nähe der Bastelwerkstatt war, waren sofort tot - mehr dazu in Kapfenstein: Brüder bunkerten Tausende Böller (19.11.2014). Der 35-jährige Bruder erlitt leichte Verletzungen und muss sich ebenfalls ab Mittwoch vor dem Schöffengericht verantworten.
Wegen Gemeingefährdung vor Gericht
Mitangeklagt sind auch ein Helfer sowie zwei Pyrotechnikhändler - Vater und Sohn. Letztere hatten beim 33-Jährigen die Böller bestellt und sie teilweise auch an Ort und Stelle selbst abgeholt, transportiert, gelagert und verkauft.
Neben den fünf Beschuldigten müssen sich auch vier weitere Personen aus dem Umfeld der Böllerhersteller vor Gericht verantworten: Sie sollen entweder falsch ausgesagt oder den Versuch der Begünstigung begangen haben - mehr dazu in Tödliche Böllerexplosion: Neun Anklagen (4.7.2016). Laut Staatsanwaltschaft besteht die Gemeingefährdung wegen der außerordentlich hohen Unfallwahrscheinlichkeit aufgrund der unsachgemäßen Herstellung, Handhabung, Transport und Verkauf der „hoch instabilen Blitzknallsätze“.
APA/Erwin Scheriau
Schleppender Prozessbeginn
Der Prozess begann dann schleppend: Alleine die Aufnahme der Personalien der neun Angeklagten dauerte mehr als eine Stunde. Die Richterin wollte von ihnen unter anderem Vermögens- bzw. Schuldenstände wissen, einige Angeklagte wussten zum Teil gar nicht, wie viel Einkommen und Ausgaben sie im Monat haben, andere konnten nicht sagen, wie viele Schulden sie bei der Bank haben; einer meinte sogar, er habe keine Kredite, sondern Bankschulden, woraufhin ihn die Richterin aufklärte, dass das dasselbe sei. Ein anderer Angeklager wusste nicht, ob und welche gültigen Gewerbeberchtigungen für Pyrotechnik er überhaupt hat.
Beschuldigte bisher wenig kooperativ
Die Beschuldigten, die sich zum Teil gar nicht untereinander gekannt hatten, sollen sich im Laufe der Ermittlungen wenig kooperativ gezeigt haben und legten - wenn überhaupt - nur Teilgeständnisse ab. Der Prozess ist für drei Tage anberaumt, insgesamt 33 Zeugen sollen gehört werden.