Böllerprozess auf November vertagt

Nach einem ersten Urteil zur Böllerexplosion in Kapfenstein ist der Prozess am Freitag im Grazer Straflandesgericht auf Ende November vertagt worden. Sowohl das Gutachten als auch weitere Zeugen stehen noch auf dem Programm.

Mit einem Kriminalbeamten im Zeugenstand wurde die Verhandlung Freitagnachmittag vertagt. Sollte das Gericht am 30. November zu keinem Urteil kommen, wurden auch der 1. und der 2. Dezember als mögliche weitere Termine fixiert.

Der Ermittler schilderte dem Schöffengericht, dass bei der Alarmierung am 17. November 2014 zuerst von einer Gasexplosion die Rede war. Erst nach Recherchen an Ort und Stelle habe sich herausgestellt, dass möglicherweise Pyrotechnik im Spiel war: „Wir haben fast einen Tag gebraucht, bis der Tatort sicher war“, sagte der Beamte.

„Ihnen geht es nur um Profit und Geld“

Die Beschuldigten hatten sich in den Monaten der Erhebungen großteils wortkarg verhalten und immer nur das gestanden, was schon zu beweisen war. Der Ermittler meinte: „Ein Unrechtsbewusstsein war nie ein Thema - durchgehend in der Pyrotechnikszene. Ihnen geht es nur um Profit und Geld.“ „Und, dass es kracht“, fügte Richterin Barbara Schwarz hinzu.

Der Beamte meinte, dass das „Mastermind“ im Hintergrund der obersteirische Sprenglehrer gewesen sei: „Er brachte die Leute zusammen und täuschte die Behörden. Er ist überzeugt von dem, was er sagt.“ Die südsteirischen Pyrotechnikhändler - ein Vater-Sohn-Gespann - gehen seiner Einschätzung nach immer davon aus, dass sie recht haben und davon, dass „ihre Rechtsanwälte das schon ausbügeln werden“.

Vier Monate bedingt und Geldstrafe

Ein erstes Urteil hatte es am Freitag gegeben: Der mitangeklagte Polizist wurde wegen falscher Beweisaussagen zu vier Monaten Haft verurteilt. Der 48-Jährige hatte bis zur Verhandlung und auch noch am ersten Prozesstag geleugnet, vom 33-jährigen Hauptangeklagten Böller gekauft zu haben. Erst am Donnerstag gestand er die Abnahme von etwa 1.500 Stück.

Da er aber nicht die Berechtigung dafür hatte, habe er gelogen und bei der Einvernahme nichts davon erzählt. Die Richterin rechtfertigte die „kräftige Strafe“ - vier Monate bedingter Haft sowie eine Geldstrafe von 7.200 Euro - damit, dass der frühere Polizist genau gewusst habe, dass er seinen ehemaligen Kollegen mit einer umfassenden Aussage sehr geholfen hätte. Weitere Urteile werden in dieser Woche nicht mehr erwartet, weil mehrere wichtige Zeugen verhindert sind.

Wer sah was, wer wusste was?

An den ersten beiden Prozesstagen wurden neben den Beschuldigten zahlreiche Zeugen, vor allem Nachbarn, gehört. Sie hatten von der Explosion, einem „Feuerball“ und massiven Schäden erzählt. Einige der Angeklagten gestanden, an der illegalen Herstellung der Böller beteiligt gewesen zu sein. Zwei Pyrotechnikhändler aus der Südsteiermark, das Vater-Sohn-Gespann, dagegen wollten nicht gewusst haben, dass die Blitzknallsätze in nicht genehmigten Betriebsstätten in der Steiermark hergestellt wurden - mehr dazu in Böllerprozess: Zeugen sahen nur Feuerball und in Böller-Prozess: Tödliches „Halbwissen“.

Der Bruder des getöteten 29-Jährigen gestand, drei- oder viermal bei der Herstellung auf dem gemeinsamen Anwesen geholfen zu haben. Er wurde bei der Explosion verletzt und muss sich ebenso wie ein Großteil der anderen Angeklagten wegen Gemeingefährdung verantworten. Der Vater der Brüder kam ebenfalls am 17. November 2014 ums Leben. Er war zufällig in der Nähe, als etwa 25 Kilogramm der Sprengmasse in die Luft flogen - mehr dazu in Kapfenstein: Brüder bunkerten Tausende Böller (19.11.2014).

Abgehörte Telefonate und vermeintlich Unwissende

Der dritte Prozesstag ging dann mit Zeugenbefragungen weiter: Es sagten Pyrotechniker bzw. Händler aus, die mit den angeklagten Böllerproduzenten und Händlern Geschäftskontakte hatten. Obwohl die Richterin bisher schon mehrmals aus Protokollen von abgehörten Telefonaten zitiert hatte, stellten sich manche Zeugen unwissend.

Die Protokolle belegen allerdings Absprachen zwischen Zeugen und Angeklagten darüber, was ausgesagt und was verschwiegen werden sollte. Für die Zeugen ergab sich daraus das Risiko, im Fall von in der Verhandlung behaupteter Unwissenheit zu Beschuldigten werden.

Böller-Typ nach Explosion aus Sortiment genommen

Bemerkenswert war dabei ein Oberösterreicher, der unmittelbar nach der Explosion in Kapfenstein mit einem der Angeklagten telefoniert und gleich danach genau jenen Böllertyp aus seinem Sortiment genommen hatte, der für die Explosion verantwortlich war. Warum, konnte oder wollte er auch auf mehrmaliges Nachfragen nicht beantworten. Selbst der nachdrückliche Hinweis der zweifelnden Richter, dass falsche Beweisaussage strafbar sei, konnte den Zeugen nicht zu mehr Kooperation bewegen. Mit den Worten „Sie werden noch Post von uns bekommen“ wurde er entlassen.

Ein anderer Zeuge - ebenfalls ein Pyrotechnikhändler, aber aus Graz - hatte vom 33-Jährigen die Cobra-44-Böller angeboten bekommen: „Ich wusste aber auch nicht, wo er produzierte.“ Abnehmen wollte er dem Hersteller nichts, da er vom Liefervertrag mit einem südsteirischen Händler wusste und nicht die gleiche Ware wollte. Außerdem gebe es wie überall eben „Sterneköche und Würstelbuden“. Richterin Schwarz wollte wissen, ob das Vater-Sohn-Gespann aus der Südsteiermark eher „Sterne oder Würstel“ sind. „Darüber möchte ich lieber kein Urteil abgeben“, meinte der Zeuge diplomatisch.

Hauptangeklagter als Vortragender

Einer der geladenen Zeugen, ein Pyrotechnikhändler, schilderte dafür freimütig, dass er 2015 - und somit nach der tödlichen Explosion in Kapfenstein - im Rahmen eines Lehrgangs in der Obersteiermark einen Vortrag vom 33-jährigen Hauptangeklagten besucht habe.

Der Beschuldigte hatte über die Herstellung von Blitzknallkörpern referiert, was dieser auch bestätigte. Dass die Wahl des Vortragenden möglicherweise eine schiefe Optik hat, schien auch den Chef des Lehrgangs, den 44-jährigen mitangeklagten Sprenglehrer, nicht zu stören.