Hartberg: SPÖ kündigt Koalition mit ÖVP

Nach dem Prüfbericht des Landes gehen die Wogen in Hartberg weiter hoch: Freitagabend hat die SPÖ überraschend die Koalition mit der ÖVP im Gemeinderat gekündigt. Sie übt Kritik an der Informationspolitik des ÖVP-Bürgermeisters.

Die Gemeindeaufsicht hatte Hartberg einer Gebarungsprüfung unterzogen und „schwerwiegende und gravierende Verstöße gegen die Bestimmungen des Gemeinderechts und erhebliche Missstände im Beteiligungsmanagement“ festgestellt - mehr dazu in Prüfbericht zu Hartbergs Finanzen vorgelegt (12.1.2017) und Hartberger Finanzdesaster: Aufräumen steht an (13.1.2017). Der Prüfbericht wurde außerdem der Staatsanwaltschaft übermittelt. Die Grünen Gemeinderäte der Bezirkshauptstadt forderten nach dem Bericht Neuwahlen - mehr dazu in Hartberg: Grüne fordern Neuwahlen.

Kritik am Bürgermeister

Nun hat die SPÖ Freitagabend die Koalition mit der ÖVP im Hartberger Gemeinderat aufgekündigt. Zugleich gab SPÖ-Vizebürgermeister Wolfgang Böhmer den Rücktritt von seiner Funktion bekannt.

Grund sei die Informationspolitik von Bürgermeister Marcus Martschitsch (ÖVP), hieß es von der SPÖ. In den vergangenen Monaten habe Martschitsch den Koalitionspartner „immer spärlicher“ mit Informationen versorgt habe, so Böhmer und SPÖ-Gemeinderatsfraktionschef Kurt Massing in einer Aussendung. „Von dem im Koalitionsvertrag vereinbarten Miteinander auf Augenhöhe kann schon lange keine Rede sein“, so Böhmer.

Böhmer geht in politische Pension

„Eine politische Partnerschaft kann nur dann funktionieren, wenn beide Seiten gleiches Verständnis haben von Mitteilungspflicht, partnerschaftlichem Auftreten und vor allem ein gleiches Verständnis von Vertrauen. Letzteres hat es aufgrund vieler Vorkommnisse nicht mehr gegeben“, begründete Böhmer die Aufkündigung der Koalition und seinen Rücktritt. Er gehe am Montag nach 37 Jahren in die politische Pension, er werde auch sein Mandat als Gemeinderat zurücklegen. „Die SPÖ wird sich neu aufstellen, Kurt Massing bleibt Fraktionsführer“, so Böhmer.

„Entschuldigung nicht abgestimmt“

Der Prüfbericht des Landes sei zwar nicht der ursächliche Auslöser für die Aufkündigung, jedoch kritisiert Massing die „Entschuldigung“ von Bürgermeister Martschitsch. Der Bürgermeister hatte sich nach dem Prüfbericht über eine Zeitung bei den Bürgern entschuldigt. „Das war mit uns nicht abgestimmt. Man kann sich nicht an Gemeindebeamten und der Kontrollbehörde des Landes abputzen“, so Massing.

Keine Mehrheit mehr für ÖVP

Bei der Gemeinderatssitzung am kommenden Montag haben die ÖVP und ihr Bürgermeister keine Mehrheit für Beschlüsse mehr. Von den ursprünglich elf ÖVP-Gemeinderäten kehrten drei im Vorjahr dem Klub den Rücken, sodass die Opposition nun auf 17 der 25 Gemeinderatsmandate kommt. Damit hat sie die Zweidrittelmehrheit und könnte dem Bürgermeister sogar das Misstrauen ausssprechen. NEOS-Gemeinderat Dominik Berghofer habe auf Twitter bereits Neuwahlen gefodert, hieß es im Bericht der „Kleinen Zeitung“.

Martschitsch „persönlich enttäuscht“

Bürgermeister Martschitsch zeigte sich „persönlich enttäuscht“ vom ehemaligen Koalitionspartner: „Es war sehr überraschend für mich. Ich habe das Gefühl, dass die Geschwindigkeit der Reformen zu rasch war für die SPÖ. Was am Montag auf mich zukommt, kann ich nur annähernd erahnen“, sagte der Bürgermeister im Interview mit dem ORF Steiermark. „Wir haben im letzten halben Jahr alles richtig gemacht. Das ist auch in Rücksprache mit den Landesprüfern passiert. Ich glaube, dass wir auf dem richtigen Weg sind.“

Martschitsch: Unverständlich

„Ich finde das unverständlich. Ich versuchte seit zehn Tagen eine gemeinsame Koalitionssitzung einzuberufen, um über den Prüfbericht und die Vorgangsweise zu sprechen. Warum die Sozialdemokraten so reagiert haben, ist mir nicht ganz klar. Aber ich kenne interne Schwierigkeiten, denn es ist auch eine Kraft der Sozialdemokraten gestern zurückgetreten, nämlich Beatrix Narath. Ich denke, dass das auch im Zusammenhang damit steht, dass die Sozialdemokraten die Koalition jetzt so abrupt beendet haben“, so der Bürgermeister.

„Natürlich ist das unangenehm“

„Ein Misstrauensantrag gegen mich kann eigentlich nicht Erfolg haben, weil der braucht eine Zweidrittelmehrheit. Aber natürlich ist das unangenehm. Ich habe mir das anderes erwartet. Ich wollte eigentlich durchstarten und Hartberg in die Zukunft führen. Das ist halt jetzt ein kleiner Stolperstein“, so Martschitsch.

„Jetzt dem Bürgermeister vorzuwerfen, er hätte versucht, sich mit der öffentlichen Entschuldigung an den Beamten der Gemeinde und des Landes abzuputzen ist einfach niveaulos“, sagte ÖVP-Klubchef Markus Windisch, Martschitsch habe lediglich aus dem Bericht zitiert.

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