Regisseur und Autor Ernst M. Binder ist tot

Er wollte sein Publikum berühren und das vor allem mit unbequemer Kunst: In der Nacht auf Samstag ist der Grazer Theatermacher Ernst M. Binder im Alter von 64 Jahren gestorben.

In der Nacht vor der Premiere seiner 99. Inszenierung – Engelbert Humperdincks „Hänsel und Gretel“ an der Kunstuniversität Graz – ist Regisseur Ernst M. Binder überraschend verstorben. In 40 Schaffensjahren hat Regisseur Ernst M. Binder vielerorts Stücke inszeniert - ob als künstlerischer Leiter des „forum stadtpark theaters“, im „steirischen herbst“ oder ab 2003 mit dem „dramagraz“.

Ernst M. Binder

Ernst M. Binder

Vielfach ausgezeichnet

Ernst M. Binders Inszenierungen, vorrangig deutschsprachiger Gegenwartsdramatik, in Berlin über Graz und Wien bis nach Slowenien wurden vielfach ausgezeichnet. 2008 wurde der Regisseur, Autor und Musiker zum Professor ernannt.

Hingewandter Blick

Der 1953 in Mostar geborene Theatermensch hat den Blick nie abgewandt von gesellschaftlichen Brennpunkten wie Geschlechterrollen und Flüchtlingen - in jüngeren Arbeiten wie „Jarmuk“ sowie in der Inszenierung des Handke-Stücks „Warum eine Küche“ vor acht Jahren. „Angesichts der Flüchtlingsströme und der zunehmenden Radikalisierung und geistigen und moralischen Verwahrlosung eines großen Teils der Bevölkerung kann die Kunst nicht so tun, als ob sie das alles nichts angeht. Immer auch ist der Künstler Anwalt und Fürsprecher des Menschseins“, schrieb Ernst M. Binder vor einem halben Jahr für die erste Ausgabe der Zeitschrift „Grazkunst“.

Produktion findet statt

Engelbert Humperdincks „Hänsel und Gretel“ war Ernst M. Binders insgesamt 99. Inszenierung. Seine 100. Regiearbeit, Samuel Becketts „Das letzte Band“ war bereits in Arbeit. Die Universität habe beschlossen, die Produktion mit Start am 28. Jänner 2017 dennoch stattfinden zu lassen, hieß es in einer Aussendung der Kunstuniversität. Die Arbeit an der Kunstuniversität, wo er auch das Projekt „Opern der Zukunft“ vorbereitete, sei Ernst M. Binder wichtig gewesen – „wie auch die Inszenierung selbst, mit der er eine deutliche gesellschaftspolitische Botschaft vermittelt“.

Viel Mut

Neben unzähligen Uraufführungen, darunter von Elfriede Jelinek, Einar Schleef und Werner Schwab, war Binder selbst Autor. Dazu sagte Binder einmal: „Es erfordert nur sehr viel Mut, die Dinge so hinzuschreiben, wie man sie empfindet.“

„Wir können wirklich nichts als Sprache“, sagte Ernst M. Binder einst und forderte im gleichen Moment mehr Mut zur Stille. Auf seiner Homepage hatte er sich, der vor einigen Jahren eine schwere Erkrankung überstanden hatte, selbst 2017 die Genehmigung verliehen, „müde zu sein“.

Reaktionen

„Mit Ernst M. Binder verliert die Stadt Graz einen eigenwilligen und berührenden Regisseur, Dichter, Lehrer und Musiker“, reagiert Kulturstadträtin Lisa Rücker (Grüne) betroffen auf den Tod des Grazer Künstlers. „Einen Künstler, der sich in seinem Denken und Tun nie hat einengen lassen und schon früh die freie Theaterszene, nicht nur in Graz, geprägt hat. Ein großer Verlust, dass er so früh gehen musste.“

„Wir haben einen guten Freund und Nachbarn verloren. Er wird uns allen sehr fehlen“, sagte die Grazer KPÖ-Vizebürgermeisterin Elke Kahr am Samstag zur Nachricht vom plötzlichen Tod des Ernst M. Binder. Binder war zuletzt Leiter des Theaters „dramagraz“ gewesen, das seinen Standort im Volkshaus der KPÖ hat.

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