Mitterlehner: „Alarmsignal“ für Schützenhöfer

Vizekanzler und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner ist am Mittwoch von all seinen Funktionen zurückgetreten. In einer ersten Reaktion spricht der steirische ÖVP-Chef Hermann Schützenhöfer von einem „Alarmsignal“.

Mitterlehner habe „die Partei in einer schwierigen Phase übernommen und mit viel Herzblut versucht, Österreich zu erneuern“, so der steirische Landeshauptmann: „Wenn ein so konsensualer Mensch wie Reinhold Mitterlehner in der Koalition aber offensichtlich keine Zukunft mehr sieht, dann ist das für mich ein weiteres Alarmsignal. Es stimmt mich zudem nachdenklich, wenn ein Mensch, der Zeit seines politischen Lebens immer den Ausgleich gesucht und das Gemeinsame vor das Trennende gestellt hat, nun das Handtuch wirft.“

Menschlich zeigte der steirische ÖVP-Chef Verständnis für Mitterlehners Rückzug, lediglich der Zeitpunkt habe ihn etwas überrascht. Seit Monaten habe Mitterlehner aber schon immer wieder „im kleinen Kreis“ über einen Rücktritt geredet.

„Bin kein Platzhalter“

In seinem Abgang sparte er nicht mit Kritik: „Ich bin kein Platzhalter, der auf Abruf (...) agiert“. Einerseits habe es eine Inszenierung der SPÖ gegeben, andererseits Reaktionen mit wechselseitigen Provokationen. Es sei „unmöglich, einerseits Regierungsarbeit zu leisten und gleichzeitig die eigene Opposition zu sein". Die ÖVP brauche jetzt „Entscheider“ mit allen Rechten und Pflichten, die eine Wahl rechtzeitig vorbereiten können - keine „Doppelfunktionen oder gar verdeckte Strukturen“ - mehr dazu in „Macht keinen Spaß und keinen Sinn mehr“ (news.ORF.at).

„Opposition in der Regierung funktioniert nicht“

Ähnlich auch Schützenhöfer: „Ich stimme völlig mit Mitterlehner überein, dass Opposition innerhalb der Regierung nicht funktioniert - das gilt für die derzeitige Kanzlerpartei SPÖ ebenso wie für die ÖVP. Das haben wir in der Steiermark vor einiger Zeit erkannt. Nur wenn man in einer Regierung wirklich gut und vertrauensvoll zusammenarbeitet, kann man auch große Reformen umsetzen.“

Reinhold Mitterlehner

APA / Georg Hochmuth

Reinhold Mitterlehner

Zur Schelte von Mitterlehner für die eigenen Reihen meinte Schützenhöfer: „Er hat beiden, SPÖ und ÖVP, ins Gewissen geredet.“ Das „Haxlstellen“ gelte auch für die ÖVP, „aber zum Streiten gehören immer zwei“.

Die Rückkehr der „Reformpartnerschaft“

Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) verwendete in seinem ersten Statement nach dem Mitterlehner-Rücktritt dann einen in der Steiermark durchaus bekannten Begriff: Er biete „der ÖVP und Sebastian Kurz“ eine „Reformpartnerschaft“ an, so Kern offenbar in der fixen Annahme, dass Außenminister Kurz neuer ÖVP-Chef wird. Die Konzepte befänden sich in den Schubladen, es gehe ausschließlich um den Willen - mehr dazu in Kern bietet Kurz „Reformpartnerschaft“ an (news.ORF.at).

Siegfried Nagl, Hans-Jörg Schelling und Hermann Schützenhöfer

Büro Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer

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Im Interview mit Steiermark-heute-Moderator Franz Neger äußert sich Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer zum Rücktritt Reinhold Mitterlehners

Für Schützenhöfer sei der SPÖ-Vorschlag einer „Reformpartnerschaft“ befremdlich: Genau so eine habe Mitterlehner Christian Kern nämlich bereits vorgeschlagen - aber die SPÖ habe „sich was gepfiffen“. Die ÖVP werde das Angebot dennoch ernst nehmen. Nun hieße es, „die Köpfe zusammenstecken und schauen, ob es noch geht“: „Ich bin mir aber nicht sicher, ob es konstruktiv weitergeht“, so Schützenhöfer.

Er gibt zu: „Ich denke schon, dass wir über die Strukturen nachdenken müssen. Wir haben jetzt in den letzten wenigen Jahren mehrere Bundesparteiobmänner an der Spitze gehabt - wir müssen auch darüber nachdenken, ob man in dieser Koalition weitermachen kann.“ Er würde sich zwar freuen, wenn es weiterhin funktioniert - doch „letztlich ist es besser, sich nicht weiter zu quälen, sondern einen Befreiungsschlag zu wagen“, so Schützenhöfer.

„Aufpassen, dass man nicht den nächsten verheizt“

Zumindest in puncto Mitterlehner-Nachfolge sprach der Landeshauptmann sich klar für Sebastian Kurz aus - aber „man muss aufpassen, dass man nicht den nächsten verheizt“. Daher müsse Kurz nun selbst entscheiden, ob er es macht und wenn ja, ob er mit der SPÖ weiter koaliert oder Neuwahlen will. Eine Alternative zu Kurz fiel dem Landeshauptmann übrigens nicht ein.

Und in Hinblick auf Neuwahlen? Schüzenhöfer persönlich sei nach wie vor fürs Weiterarbeiten, aber „wenn die Erkenntnis in der Bevölkerung breiter wird, dass es nicht mehr geht, dann lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“. Man sei an einer Schmerzgrenze angelangt.

SPÖ: „Verantwortung für’s Land übernehmen“

Der steirische Landeshauptmann-Stellvertreter Michael Schickhofer (SPÖ) unterstrich indes die „gute sachpolitische Zusammenarbeit“ mit Mitterlehner und meinte: „Die machtpolitischen und taktischen Züge des Trio-Infernale Lopatka, Sobotka und Kurz haben sich durchgesetzt. Ich erwarte mir, dass die Quertreiber jetzt auch so ehrlich sind, wirkliche Verantwortung fürs Land zu übernehmen.“

Er greift auch die aktuelle „Zukunftspartnerschaft" auf: „Ich weiß, Reinhold Mitterlehner wollte die Zukunftspartnerschaft, viele Reformen sind auch weitergegangen. Genau eine solche Zukunftspartnerschaft würde Österreich jetzt auch brauchen.“

FPÖ: „Intrigen veranlassten zum Rückzug“

Für den steirischen FPÖ-Chef Mario Kunasek sei der Rücktritt Mitterlehners zu erwarten gewesen: „Die ÖVP-internen Intrigen und die katastrophale Regierungsarbeit haben ihn zum Rückzug veranlasst. In Anbetracht der heutigen Entwicklungen müssen sich SPÖ und ÖVP endlich ernsthaft die Frage stellen, inwiefern die Fortsetzung dieser Bundesregierung tatsächlich noch Sinn macht, insbesondere angesichts der Tatsache, dass selbst der scheidende Vizekanzler nicht mehr an die Handlungsfähigkeit dieser rot-schwarzen Koalition glaubt.“

Grüne: „Auch steirische ÖVP nicht unbeteiligt“

Als „verständlich“ bezeichnet der Grüne Landessprecher und Landtagsklubobmann Lambert Schönleitner Mitterlehners Rücktritt – „vor allem vor dem Hintergrund, wie einzelne in der ÖVP seit Wochen und Monaten agieren.“ Laut Schönleitner habe auch die steirische ÖVP ihren Anteil am Abgang des ÖVP-Chefs – neben Reinhold Lopatka auch Landeshauptmann Schützenhöfer, "der mit seinem ‚Dauer-Sager‘, dass Außenminister Sebastian Kurz das ‚Trumpf-Ass der ÖVP‘ sei, ordentlich mitgesägt hat“, so der Grüne Landessprecher.

Skeptisch ist Schönleitner betreffend eines Neustarts der Bundesregierung: „Aus meiner Sicht ist es leider nicht erwartbar, dass die Regierung noch einmal in die Gänge kommt und die vielen wichtigen Herausforderungen (von der Bildungsreform über die Sozialpolitik bis hin zum Klimaschutz, die seit Monaten liegen bleiben, in Angriff nimmt und umsetzt – letztendlich wird es besser und realistischer sein, auf Bundesebene in Neuwahlen zu gehen“, so Schönleitner.

KPÖ sieht gefährliche Drohung

Zur von Kern angebotenen „Reformpartnerschaft“ bis 2018 äußerte sich Claudia Klimt-Weithaler, KPÖ-Klubobfrau im steirischen Landtag, kritisch: „Bundeskanzler Kern weiß genau, wovon er spricht, wenn er das Wort ‚Reformpartnerschaft‘ in den Mund nimmt. Hinter dieser Worthülse verbirgt sich ein großangelegter Angriff auf die sozialen Sicherungssysteme und das öffentliche Eigentum. Eine gefährlichere Drohung hätte er gar nicht aussprechen können.“

SPÖ und ÖVP seien in der Steiermark bereits 2010 eine sogenannte „Reformpartnerschaft“ eingegangen, die bis zur Landtagswahl 2015 gehalten hatte – als beide Parteien schwere Verluste hinnehmen mussten: „Die Reformpartnerschaft hat für die Steiermark schwerste soziale Eingriffe gebracht. Zehntausende sind 2011 gegen die ständigen Kürzungen auf die Straße gegangen. Die Reformpartner Voves und Schützenhöfer sind jahrelang mit der Abrissbirne über die Steiermark gefahren. Schulen, Krankenhäuser, Kultur- und Behinderteneinrichtungen, Wohnbeihilfe, Familienleistungen – überall wurde massiv gekürzt“, so die KPÖ in einer Aussendung.

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