IS-Prozess gegen drei Ehepaare eröffnet
Es ist ein Prozess, der sich im Grunde auf die Aussagen minderjähriger Kinder stützt. Vor Richtern und Geschworenen müssen sich ihre Eltern verantworten - konkret zwei der drei angeklagten Elternpaare; das dritte ist in Bosnien in Haft und wurde nicht an Österreich ausgeliefert.
Der Staatsanwalt zeichnete zu Prozessbeginn und knapp eine Stunde lang die Geschehnisse nach: Die Angeklagten - sie sind zwischen von 36 bis 49 Jahre alt - seien in einem bosnischen Glaubensverein in Graz so weit radikalisiert worden, dass sie Ende 2014 nach Syrien gingen, um dort die Terrororganisation IS zu unterstützen.
„Der Mann wurde geschlachtet“
Die Männer nahmen dabei nicht nur an einer „Scharia-Schulung“ teil, sondern erhielten auch eine militärische Ausbildung. Ihre Kinder im Alter von zwei bis 14 Jahren nahmen sie mit - und die Schilderungen der Kinder sind es, die zur Anklage führten: Da fühlen sich zehnjährige Mädchen nur vollverschleiert sicher, da erzählt ein Achtjähriger von einer Enthauptung, die er mitansah und wörtlich „Der Mann wurde geschlachtet“ sagte, da spielte ein Sechsjähriger eine Hinrichtung mit einem Stofftier nach.
APA/Erwin Scheriau
Weil ein Bub davon berichtete, er habe gehört, dass der Vater der anderen Familie auf einen Mann geschossen habe, wird dem Hauptangeklagten Mordversuch vorgeworfen. Er soll eine Kampftruppe von rund 100 Männern geführt haben und selbst als Scharfschütze tätig gewesen sein.
Da sei er absolut unschuldig, sagte der Hauptangeklagte - schuldig fühlt er sich aber in Bezug auf die Unterstützung des IS und in Bezug auf die Kinder. Zwei Mitangeklagte fühlen sich in diesen beiden Punkten auch schuldig, eine Frau aber sagt, sie sei nicht schuldig, bereue aber natürlich. Die Frau des vermeintlichen Scharschützens fühlte sich in keiner Weise schuldig, die zweite Ehefrau dagegen in allen Punkten. Letztere gab zu, dass sie sich mit ihrem Mann IS-Propaganda angesehen hätte. „Die haben Sie mit den Kindern geschaut?“, wollte der Richter wissen. „Mit Absicht nicht“, meinte die Frau ausweichend.
Verteidiger: „Trotz allem liebende Eltern“
Die vier Pflichtverteidiger sprechen davon, dass sich die Angeklagten hätten verleiten, blenden und verführen lassen; sie hätten ihren großen Fehler erkannt und seien 2016 zurück in die Türkei geflohen, und sie seien trotz allem liebende Eltern. Der Staatsanwalt wollte das aber nicht gelten lassen: Sie stopften die Kinder mit Propaganda voll und seien nach wie vor radikale Islamisten.
Der Prozess ist für insgesamt fünf Tage angesetzt, dabei sollen auch Videos mit den Aussagen der Kinder gezeigt werden. Den Angeklagten drohen mehrjährige Haftstrafen. Der Prozess wird am 30. Mai fortgesetzt. Ein Urteil wird frühestens für 2. Juni erwartet.