IS-Prozess gegen Ehepaare: Kinder im Mittelpunkt

Am Donnerstag wird in Graz der Prozess gegen zwei mutmaßliche Dschihadisten-Ehepaare fortgesetzt. Dabei stehen vor allem die Schicksale der Kinder und ihr Umgang mit IS-Propaganda im Mittelpunkt.

Den angeklagten Ehepaaren wird vorgeworfen, vor drei Jahren mit ihren acht Kindern nach Syrien gegangen zu sein, um dort die Terrormiliz Islamischer Staat zu unterstützen; dabei seien auch die Kinder IS-Gewaltpropaganda ausgesetzt worden, so der Vorwurf des Staatsanwaltes.

Kinder mit Hinrichtungen konfrontiert

Die Ehepaare sind daher auch wegen Quälens und Vernachlässigens von Unmündigen angeklagt - ein Anklagepunkt, der bei der Verhandlung Donnerstagvormittag im Mittelpunkt stand. Zunächst ging es um die fünf Kinder jener Familie, die im Dezember 2014 nach Syrien gegangen war, wo sich sogar die kleinen Mädchen - das älteste Kind war damals elf Jahre alt - komplett verschleiern und Handschuhe tragen mussten. Laut Anklage sollen die Kinder per Video und auch live mit Hinrichtungen konfrontiert worden sein.

Zeugin bescheinigt Kindern „gute Verfassung“

Am Donnerstag ist die Schwester des Kindsvaters als Zeugin dazu einvernommen worden - sie hatte mit den Kindern nach Rückkehr der Familie nach Österreich viel Kontakt. Nach Angaben der Zeugin seien die Kinder in „sehr guter psychischer Verfassung“. Die Kinder hätten ein gutes Leben, so die Frau weiter, „aber man merkt schon, wie sehr ihnen die Eltern fehlen“. Negatives über das Leben in Syrien habe sie von den Kindern nie gehört.

Jugendamt: Kinder „nicht auffällig“

Anschließend kam ein Vertreter des Jugendamtes zu Wort: „Bisher waren psychologische Maßnahme nicht nötig“, bestätigte er die Angaben der Zeugin. „Das Auffällige an den Kindern ist, das sie nicht auffällig sind“, meinte er. Die Kinder hätten nie etwas Negatives über die Eltern erzählt. Auf Nachfrage des Staatsanwalts gab der Jugendamt-Vertreter aber an, dass es in seiner 20-jährigen Berufstätigkeit das erste Mal gewesen sei, „dass Eltern mit Kindern in ein Kriegsgebiet ziehen“.

Neunjähriger beschrieb Hinrichtung

Donnerstagnachmittag wurden die Aussagen der Kinder gezeigt, die auf einem Videomaterial von insgesamt sechs Stunden festgehalten wurden. Ein neunjähriger Bub schilderte darauf etwa im Detail die Hinrichtung, die er zufällig auf dem Heimweg von einer Moschee gesehen hat, und bei dem einem Mann der Kopf abgeschnitten worden sei. Ähnliche Szenen kenne er von DVDs mit IS-Propaganda. „Hast du danach schlafen können?“, fragte ihn eine Psychologin im Video. „Ja“, so die Antwort. „Grauslich“ fände er das schon, gestand der Bub, aber auf die Frage „findest du das normal“ antwortete er „keine Ahnung“.

Der Bub beschrieb auch ganz offen, dass sein Vater eine Kalaschnikow zu Hause hatte und er selbst manchmal eine Pistole bekam. Sein Vater sei aber kein Kämpfer gewesen, so der Neunjährige, vielmehr sei dieser „zur Massage“ gegangen, das aber oft länger, erinnerte sich der Bub. Der Neunjährige bestätigte aber, dass sein Vater Kämpfer trainiert hatte.

Noch keine Aussicht auf Urteil

Am Donnerstag ging der mittlerweile schon vierte Verhandlungstag im Prozess über die Bühne, ein Urteil wurde frühestens für Freitag erwartet, aber auch das scheint unsicher und wird von den noch gestellten Beweisanträgen abhängig gemacht.

Am ersten Verhandlungstag am Montag war eine der beiden Frauen befragt worden: Sie fühlte sich - als einzige der vier Angeklagten - in allen Punkten schuldig - mehr dazu IS-Prozess gegen drei Ehepaare eröffnet (17.5.2017). Am Dienstag wurde ein Ehepartner befragt, der auch wegen versuchten Mordes angeklagt ist, weil er als Scharfschütze gekämpft und zumindest einen Gegner schwer verletzt haben soll. Der Mann allerdings leugnete das und auch seine Frau nahm ihn einen Tag später am Mittwoch in Schutz - mehr dazu in IS-Prozess gegen Ehepaare fortgesetzt (30.5.2017).