Profiler zu Stiwoll: Gesuchter im Nahbereich

Nach dem Doppelmord von Stiwoll hat Kriminalpsychologe und Profiler Werner Schlojer am Freitag gesagt, er vermute den mutmaßlichen Täter weiter im Nahbereich der Tat. Und: Der Gesuchte habe aus „tiefer Kränkung“ gehandelt.

Fahndungsfoto

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Die Polizei hofft auf die weitere Mitwirkung der Bevölkerung, um den gesuchten 66-Jährigen möglichst rasch zu finden

Nach wie vor fehlt von dem 66-Jährigen, der zwei Nachbarn mit einem Gewehr erschossen und eine dritte Person schwer verletzt haben soll - mehr dazu in Zwei Menschen in Stiwoll erschossen -, jede Spur. Der Einsatzleiter der Polizei sprach am Donnerstag davon, dass die Hinweise nicht abreißen würden und die Suche bisher sehr zehrend gewesen sei - mehr dazu in Einsatzleiter zu Stiwoll: Zehrende Suche.

„Latent gefährliche Person“

Die Aufgabe von Profilern sei es nun, Schlüsse über das mögliche weitere Verhalten des mutmaßlichen Doppelmörders zu ziehen, sagt Werner Schlojer: „Unsere Aufgabe ist es, als Fallanalytiker über die Tatrekonstruktion Verhaltensmerkmale des Täters herauszufiltern und eine Gefährlichkeitseinschätzung zu machen. Wir haben es zu tun mit einer Person, die auf der Flucht ist und bewaffnet - daraus lässt sich der Schluss ziehen, dass wir es mit einer latent gefährlichen Person zu tun haben.“

Konkrete Gefährdung aber „eher“ ausgeschlossen

Dennoch schloss der Profiler „eher“ aus, dass die Allgemeinheit gefährdet sei: „Wenn wir seine Problemfelder betrachten, die durchaus gegeben sind, die wir auch kennen, so gibt es momentan keine Anhaltspunkte, dass hier eine konkrete Gefährdung vorliegen würde. Eine Gefährdung für die Allgemeinheit würde ich aus Mangel an konkreten Hinweisen darauf derzeit eher ausschließen“, so der gebürtige Steirer Schlojer.

Angst „verständlich“

Die Unsicherheit und Angst unter der Stiwoller Bevölkerung sei „verständlich“, so Schlojer weiter, „rational betrachtet würde ich aber sagen, dass die Gefahr sehr gering ist für die Bevölkerung“. In Stiwoll wurde in den vergangenen Tagen die Polizeipräsenz reduziert: Man wolle möglichst wieder zur Normalität kommen, hieß es - mehr dazu in Doppelmord: Polizeipräsenz in Stiwoll reduziert sowie in Stiwoll: Kindergarten und Schule wieder offen.

„Aus tiefer Kränkung heraus gehandelt“

„Der mutmaßliche Täter fühlt sich als Opfer“, sagte Schlojer. Den tödlichen Schüssen auf zwei Nachbarn war ein jahrelanger Streit um einen Weg über sein Grundstück vorausgegangen. Der Mann habe aus „tiefer Kränkung heraus“ und „situativ“ gehandelt. In der Beurteilung gingen Schlojer und sein Team davon aus, dass mit der Tötung und Verletzung dreier Nachbarn die Tathandlung beendet war.

Paranoia herauszulesen

Aus seiner Persönlichkeit sei eine narzisstische Akzentuierung und eine Paranoia herauszulesen, meinet der Profiler: „Er ist eine Person, die sich nach außen als mächtig darstellt, aber dahinter ist er unsicher." Er habe sich mit seinem Problemumfeldern verbal, schriftlich oder aktionistisch auseinandergesetzt. Das stellte offenbar eine Emotionsregulierung dar“, urteilte der BK-Mann. „Der mutmaßliche Täter handelt strukturiert, auch im Alltag, pflegt als durchschnittlich intelligenter Einzelgänger keine tiefen Freundschaften und hat ganz wenige emotionale Bezugspersonen.“

Der Doppelmord von Stiwoll

„Keine tiefe Planungsqualität“

Der Profiler und sein Team gehen davon aus, dass der mutmaßliche Täter seine Flucht nicht von langer Hand geplant hat: „Anhand der Indikatoren der Vortatphase, der Tatausführungsphase und der Nachtatphase, das Fluchtverhalten, ist eindeutig zu erkennen, dass wir es mit einem Täter zu tun haben, dass seine Flucht keiner tiefen Planungsqualität unterlegen ist, sondern dass wir es mit einem Täter zu tun haben, der eine Tat aus der Situation heraus auf seinem persönlichen Grundstück, in seinem persönlichen Lebensmittelpunkt durchgeführt hat.“ Es sei auch nicht davon auszugehen, dass der Mann einen oder mehrere Fluchthelfer gehabt habe, so Schlojer.

Das gefundene Fluchtfahrzeug

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Entschluss und Problem

Die Flucht erfolgte mit eigenem Auto, neun Kilometer weit: „Auf einer Routinestrecke, wo er sich auskennt. Er musste aber damit rechnen, dass sein Fahrzeug bekannt ist, daher der Entschluss, es an einer ihm bekannten Örtlichkeit, einem Waldweg, abzustellen“, sagte Schlojer.

Danach habe er aber einen Entschluss gefasst, der für ihn ein Problem darstelle. Die weitere Flucht erfolgte zu Fuß, der Bewegungskreis war eingeschränkt und man nehme an, dass er keine Vorbereitungen getroffen habe, mit entsprechender Kleidung, Nahrung und ohne Kommunikationsmittel.

„Im Wald fühlt er sich wohl“

„Er hat sich in eine schwierigere Lage begeben, aber er hat einen Vorteil: Er wählte ein Gebiet für die Flucht, wo er sich auskennt und sicher fühlt. Er ist ein Einzelgänger, im Wald fühlt er sich wohl, da geht er auch seiner Passion, dem Filmemachen, nach.“

Im Nahbereich der Tat vermutet

Angesprochen auf Spekulationen, der Mann könne sich in einem Versteck aufhalten, meint der Profiler: „Den Verhaltensbewertungen nach, die der Täter bis jetzt gesetzt hat, würde ich das ausschließen.“

Er vermute den Täter im Nahbereich des Tatortes, so Schlojer: „Wenn wir die Persönlichkeit des Täters anschauen und durchleuchten, kann man eher davon ausgehen, dass er sich aufgrund seiner Vorlieben und Persönlichkeitsmerkmale eine Örtlichkeit aussucht, wo er sich auskennt und wohlfühlt - das lässt für mich den Schluss zu, dass er sich noch im Nahgebiet aufhält. Aber möglich ist sehr viel.“