Schönleitner: „Man muss die Reserven rausholen“

Anlässlich der Halbzeit der Legislaturperiode lädt Radio Steiermark alle Parteichefs der Landtagsparteien zum Gespräch - am Dienstag stand Grünen-Sprecher und Klubobmann Lambert Schönleitner Rede und Antwort.

Knapp sieben Prozent der Wählerstimmen haben die Grünen bei der Landtagswahl 2015 errungen. Die Gemeinderatswahl in Graz Anfang des Jahres brachte mit zehn Prozent der Stimmen eine Enttäuschung. Noch größer war diese, als die Grünen bei der Nationalratswahl im Oktober den Einzug in den Nationalrat verfehlten. Anlässlich der Halbzeit der Legislaturperiode stand nach KPÖ-Chefin Claudia Klimt-Weithaler - mehr dazu in Klimt-Weithaler: „KPÖ wird Gegen-Position“ (27.11.2017) - am Dienstag Grünen-Sprecher und Klubobmann Lambert Schönleitner Rede und Antwort.

Radio Steiermark: Es ist Halbzeit in dieser Legislaturperiode. Erlauben Sie ausnahmsweise ein Bild aus dem Fußball: Was würden Sie Ihrer Mannschaft zur Halbzeit in der Kabine sagen?

Lambert Schönleitner: Ja, was man glaube ich in jeder Halbzeit sagt: Es ist immer noch mehr drin, man muss die Reserven herausholen. Das ist wie bei jedem Fußballspiel das Gleiche in der Politik. Ich glaube, dass Politik Gefahr läuft, sich immer weiter von Menschen zu entfernen. Umso wichtiger ist es, kraftvoll aufzutreten. Darum würde ich meiner Mannschaft sagen, die zweieinhalb Jahre zu nützen, um noch kräftiger politisch sichtbar zu sein als in der zurückliegenden Zeit.

Radio Steiermark: Vor allem für den Großraum Graz, für die Landeshauptstadt. Dort ist es ja so, dass bei der Gemeinderatswahl die Grünen etwa die Hälfte der Stimmen erhalten haben, die die Kommunisten erhielten. Wie kräftig müssen da die Grünen in Graz auftreten?

Schönleitner: Ich glaube, dass man sicher in Graz ein gewisses Problemfeld erkennen muss, es ist natürlich auch ein schwieriges politisches Feld für alle Parteien - das wissen wir - und ich glaube, es muss uns in Graz auch gelingen, die wirklich brennenden Themen dieser Stadt anzusprechen - und kraftvoll anzusprechen. Da geht es um die Lebensqualität in der Stadt, das erwarten sich die Menschen von uns. Wir sind seit der Gründung - und Graz war ja eines unserer wesentlichen Gründungspflaster in der Geschichte - eine Umweltpartei und ich glaube das müssen wir wieder ganz stark ins Zentrum unserer Politik rücken.

Radio Steiermark: Wenn ich aber das Ergebnis der Gemeinderatswahl in Graz hernehme, scheint es jedoch so zu sein, dass auch in Umweltfragen - Stichwort Murkraftwerk - offenbar die KPÖ auch eine gewisse Kompetenz, möglicherweise sogar mehr Kompetenz ausgewiesen hat als die Grünen. Wie kann das passieren?

Schönleitner: Ich glaube, dass die KPÖ den Moment damals genützt hat, das Murkraftwerk mit der Nichtzustimmung zum Budget zu thematisieren - das war natürlich ein kräftiges Stärkezeichen - und dass es aber auch ein grünes Versäumnis war in den Jahren davor, als es um die Grundsatzentscheidung für dieses Kraftwerk gegangen ist, das Umweltthema prägnant genug, sichtbar genug, zu besetzen.

Radio Steiermark: Die erste Halbzeit dieser Legislaturperiode ist von außersteirischen Faktoren bestimmt worden - nämlich vom sogenannten Metathema Flüchtlinge. Warum ist es den Grünen ganz offenbar nicht gelungen, glaubwürdige Gegenpositionen zur FPÖ-Position zu erringen?

Schönleitner: Es ist uns natürlich bewusst - und das wird auch keiner bestreiten - dass ein derartig polarisierendes Thema wie die Flüchtlingsproblematik kein Thema ist - speziell in schwierigen Zeiten wie es 2015 war - mit dem man Unmengen an Wählerstimmen einsammeln kann. Das ist nicht möglich.

Radio Steiermark: Es geht offenbar schon - nämlich bei den Freiheitlichen.

Schönleitner: Naja, das ist aber das andere Ende dieser Problematik. Wenn man mit Ängsten in der Politik arbeitet, den Menschen täglich einredet, jedes Problem würde an der Flüchtlingskrise die Ursache haben, dann ist es leicht, sie zu verängstigen und aus dieser Angst heraus auch WählerInnen zu mobilisieren. Es ist wesentlich schwieriger - so wie es bei uns in der Politik ja einer der Kernbereiche ist - zu sagen, es ist auch wichtig, Integration zu leben. Es ist auch wichtig, in schwierigen Zeiten Menschenrechte ernst zu nehmen. Und das haben wir natürlich getan. Was uns aber offenbar nicht gelungen ist, ist in dieser Frage so zu kommunizieren, dass die Menschen uns am Ende Unterstützung geben bei unseren Anliegen.

Radio Steiermark: In der zweiten Hälfte der Legislaturperiode werden in der Steiermark ganz offenbar die Themen Gesundheit, Spitalsreform, Gesundheitsreform - möglicherweise auch Pflege - im Mittelpunkt stehen. Welche Grundsätze und Ziele sollten bei der Reform berücksichtigt werden?

Schönleitner: Wenn man gerade die letzten Wochen sieht, sieht man, dass die Gesundheitsreform des Gesundheitslandesrates wirklich ins Stocken gerät, dass hier wirklich viele Fragen am Tisch liegen, die nicht beantwortet sind, das habe ich am Anfang anders erwartet. Christopher Drexler (ÖVP) ist ein Ruf als Macher in dieser Regierung vorausgeeilt, aber wir haben jetzt viele unbeantwortete Fragen, die die Bevölkerung auch verunsichern. Das Wichtigste im Bereich der Gesundheitsreform - und wenn es um Gesundheitspolitik geht - ist das gesamte Umfeld, die Qualität für den einzelnen Betroffenen zu verbessern. Das muss der Ansatz sein. Im Fokus müssen die Menschen stehen, die auf das Gesundheitssystem und die Versorgung angewiesen sind. Das Problem, das Drexler derzeit aber hat, ist, dass er grundsätzlich nicht beantwortet hat: Wie schaut es im niedergelassenen Bereich aus, wie viele Gesundheitszentren wird es in der Steiermark geben, wie schaut die Fachärzteversorgung aus?

Radio Steiermark: In welchem Ausmaß werden die steirischen Grünen geschwächt durch die Tatsache, dass die Grünen jetzt nicht mehr im Nationalrat vertreten sind?

Schönleitner: Nein, ich würde uns gar nicht geschwächt sehen. Ich glaube, dass viele Menschen gerade jetzt bereit sind, grüne Politik auf Landesebene zu unterstützen. Und wenn die Grünen auf Bundesebene nicht vorhanden sind, ist es umso wichtiger, dass sie in den Bundesländern - und somit auch in der Steiermark - vertreten sind.

Radio Steiermark: Wenn Sie von dieser Positionierung ausgehen wie Sie skizziert haben, sehen Sie die Grünen dann - ein entsprechendes Wahlergebnis vorausgesetzt - auch als potentiellen Regierungspartner in der Steiermark?

Schönleitner: Es ist, wie ich das immer gesagt habe: Die Grünen sind grundsätzlich eine gute Oppositionspartei. Aber jeder, der Politik ernst nimmt, muss am Ende auch sagen - das unterscheidet uns von der FPÖ und auch KPÖ - man muss bereit sein, Verantwortung zu übernehmen.

Das Gespräch führte Günter Encic, Radio Steiermark

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