Betonfraß: Grazer Forscher schützen Kanäle

Bei Zersetzungs- und Fäulnisprozessen in der Kanalisation entsteht Schwefelwasserstoff, der Geruchsprobleme macht und auch die Kanalanlagen schädigt. Steirische Forscher arbeiten nun an Strategien gegen diesen Betonfraß.

Wenn im Abwasser schwefelhaltige Verbindungen vorkommen und Kanäle mit geringer Fließgeschwindigkeit von Bakterien als Energiequelle genutzt werden, kann Schwefelwasserstoff (H2S) entstehen. Das farblose, übel riechende Gas kann in hohen Konzentrationen innerhalb von wenigen Sekunden zu Atemlähmung und Bewusstlosigkeit von Kanalarbeitern führen; es dringt aber auch in den Beton der Abwasserrohre und Kanalschächte ein, so Cyrill Grengg vom Institut für Angewandte Geowissenschaften der TU Graz.

Bakterien lassen Beton „rosten“

Der weitere Reaktionsverlauf senkt den pH-Wert der Betonoberflächen so massiv, dass zusätzliche Bakterienstämme die Porenräume besiedeln können. Sie oxidieren den Schwefelwasserstoff über diverse Zwischenprodukte zu Schwefelsäure (H2SO4) - diese regiert mit den Betonteilen und zerstört schließlich ihr strukturelles Gefüge, erklärt Günther Koraimann vom Institut für Molekulare Biowissenschaften, der den Vorgang im Detail untersucht hat.

Großer volkswirtschaftlicher Schaden

Dieser gesamte Prozess sei der Grund, warum Abwassersysteme nicht selten schon nach zehn Jahren renoviert werden müssen, folgert Grengg. Für Deutschland wurde laut dem Grazer Wissenschaftler ein volkswirtschaftlicher Schaden von rund 450 Millionen Euro jährlich berechnet. „In mehreren untersuchten Abwassersystemen wurden durchschnittliche Korrosionsraten am Beton von einem Zentimeter und mehr gemessen“, schildert der Grazer Geowissenschafter mit Schwerpunkt Hydrogeologie und -chemie.

Er sucht mit seinen Kollegen an der TU Graz und der Universität Graz in einer interdisziplinären Gruppe nach Wegen, die sogenannte biogene Schwefelsäure-Korrosion (BSK) zu verhindern; der Gruppe gehören auch Materialwissenschaftler und Baustofftechnologen, Mineralogen sowie Molekularbiologen an: Sie erforschen die mikrobiologischen Prozesse, untersuchen die Interaktion zwischen den Mikroorganismen und dem Beton, das Bakterienwachstum und die limitierenden Faktoren.

Resistenter Beton

In Zusammenarbeit mit dem Institut für Werkstoffe im Bauwesen der TU Darmstadt will die Gruppe BSK-resistente Materialien entwickeln, denn der derzeitige Stand der Technik biete keinen ausreichenden Schutz gegenüber der Schwefelsäure-Korrosion. Das Grazer Team hält innovative Technologien wie Geopolymer-Betone in dieser Fragestellung für vielversprechend: Diese mineralischen Baustoffe bestehen aus einer silikatisch-aluminatischen Feststoffkomponente und einer alkalischen Flüssigkeitskomponente, wie Gengg erläutert.

Beim Mischen der Aktivierungslösung mit dem gemahlenen Feststoff, dem je nach Anwendung Gesteinskörnungen und andere Substanzen beigefügt werden, bildet sich ein steinhartes anorganisches Polymer. In Versuchen mit der TU Darmstadt hätten sich solche Geopolymere in der sauren Umgebung der Abwassersysteme als „hochresistent“ erwiesen, wie sie jüngst in einer Publikation im Fachjournal „Water Research“ festhielten.

Schwefelsäure soll gar nicht entstehen

Am effizientesten wäre das gesamte Problem wohl zu beseitigen, wenn man die Entstehung der biogenen Schwefelsäure überhaupt verhindern könnte. Daher setzen die Grazer Wissenschaftler auch auf die Entwicklung möglichst antibakterieller Materialoberflächen, an denen sich jene Mikroben, die für den anfänglichen Oxidationsprozess verantwortlich sind, erst gar nicht ansiedeln können. „Wir haben bereits vielversprechende Ergebnisse mit Materialien, die eine vielfach höhere Lebensdauer gegenüber herkömmlichen Betonen aufweisen“, erklärt Florian Mittermayr vom Institut für Materialprüfung und Baustofftechnologie der TU Graz.

Links: