Kultur in der Fahrradwerkstatt

Kultur darf nicht nur im Museum oder im Theater stattfinden: Einmal im Monat werden in einer Grazer Fahrradwerkstatt - inmitten von Schläuchen, Rahmen und Werkzeug - Geschichten erzählt und Literatur geschaffen.

Für die Lesereihe „Zweiradsatz“ wird einmal im Monat die Werkstatt von „Muchar Upcycles“ zu einer Bühne umfunktioniert, wo Themen rund um das Fahrrad auf Literatur treffen.

Die Werkstatt und die Kunst

„Bernhard hat diese Fahrradwerkstatt, ist aber sehr kunst- und kulturaffin, und ich bin Schauspielerin und ‚Fahrradaffin‘, und so kombiniert sich das“, sagt Initiatorin Julia Gräfner über „Zweiradsatz“. Die Idee, eine Lesereihe in der Fahrradwerkstatt zu veranstalten, entstand schlussendlich bei einem gemeinsamen Bier: „Ich finde es immer sehr spannend, wenn Orte nicht so genutzt werden, wie es eigentlich geplant ist“, so der Besitzer von „Muchar Upcycles“, Bernhard Kober.

Bernhard Kober und Julia Gräfner

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Bernhard Kober und Julia Gräfner

Im ersten Teil der kostenlosen Lesereihe gibt es verschiedene Inputvorträge rund ums Rad - etwa über die gesundheitlichen Vorzüge des Fahrradfahrens. Der zweite Teil ist dann der Literatur gewidmet und muss nichts mit dem Fahrrad zu tun haben. „Zweiradsatz“ will Menschen ansprechen, die Begeisterung sowohl für Fahrräder, als auch für Literatur teilen, betont die Schauspielerin.

„Cockney“ und auf Reisen mit dem Waffenrad

Bei der letzten Ausgabe im Mai gab es verschiedene Auszüge aus dem britischen Fahrradmagazin „Boneshake“ zu hören - und das in englischer Sprache: Mit aufgesetztem Fahrradhelm gab der Schauspieler Ferdinand Seebacher sein „Cockney English“ zum Besten.

Ferdinand Seebacher

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Ferdinand Seebacher

Den literarischen Part bestritt Wolfgang Ankrisch: Er legte die Strecke Bregenz-Neusiedlersee in 14 Tagen mit einem Waffenrad vom Flohmarkt zurück - ganz nostalgisch mit Lederhose, Hemd und Mascherl und ohne Helm und ohne GPS: „Ich will das so erleben wie damals“, so der Fernradler über seine Motivation - seine Reiseerlebnisse werden in naher Zukunft in seinem neuesten Buch zu lesen sein.

Wolfgang Ankrisch

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Wolfgang Ankrisch

Auch durch den Veranstaltungsort weht auch Hauch von Nostalgie. Da das potenzielle Traumrad finanziell unerreichbar schien, entschied sich Bernhard Kober dazu, es mit einem rostigen alten Rad aus den 70er-Jahren selbst zu probieren: „Ich habe es zerlegt, entlackt, dann den Rahmen 40 Stunden lang gebürstet und hab schließlich wieder ein neues Radl daraus gemacht.“ Dieses wurde im Jahr 2012 zum schönsten Fahrrad Wiens gekürt.

Aus Alt wird Neu

Nach der abgeschlossenen Ausbildung zum Fahrradtechniker eröffnete er 2014 mit „Muchar Upcycling“ in der Grazer Schillerstraße seine eigene Fahrradwerkstatt. Neben Reparaturen freut er sich besonders über Auftragsräder, wo er mit alten Fahrradrahmen arbeitet, um daraus neuwertige Unikate zu bauen. „Ich flicke wahnsinnig viele Schläuche und verwende nicht automatisch einen neuen“, so Kober, der großen Wert auf Nachhaltigkeit legt.

Muchar Upcycles Räder

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Auch beim Einkauf der Materialien schaut er auf die Umwelt und versucht - so gut es geht- Verpackung zu vermeiden. „Ich kaufe etwa die Schläuche in 50er-Packungen unverpackt“, so der Fahrradmechaniker. Innerhalb von vier Jahren konnte er dadurch bereits um die 400 Verpackungen sparen.

Ein Radrennen in der eigenen Wohnung

Seine Leidenschaft fürs Fahrrad ist aber noch keine zehn Jahre alt - denn erst 2009 bekam Bernhard Kober sein erstes Fahrrad geschenkt. Um trotz Schlechtwetter ausprobieren zu können, ob das neue Fortbewegungsmittel funktioniert, fuhr er eine Runde in der eigenen Wohnung.

Aus diesem Erlebnis entstand die Idee, unter dem Namen „Altbaukriterium“ Radrennen innerhalb der eigenen vier Wänden zu veranstalten. Inzwischen hat Kober rund 80 Rennen in fünf verschiedenen Ländern auf zwei Kontinenten veranstaltet - zu den „Rennstrecken“ gehörten ein ehemaliges Altersheim in London, eine Bar in Toronto oder auch ein ehemaliges Großkaufhaus in Holland.

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