Volksanwalt kritisiert viele Kindesabnahmen

Die Volksanwaltschaft kritisiert, dass Jugendämter vor allem in der Steiermark, aber auch in Wien besonders viele Kinder bei Pflegeeltern und in Wohngemeinschaften unterbringen - und das oft weit weg von den leiblichen Eltern.

Rund 14.000 Kinder und Jugendliche in Österreich leben in Wohngemeinschaften und Heimen oder bei Pflegeeltern - und zwar nach Entscheidungen von Jugendämtern und Familiengerichten.

Mehr als ein Prozent „fremduntergebracht“

Aber während das in Tirol nur für 0,65 Prozent aller Kinder gilt, ist der Anteil in Kärnten und Vorarlberg deutlich höher, und in Wien und der Steiermark sind mehr als ein Prozent aller Kinder „fremduntergebracht“, so der Fachbegriff - die Wahrscheinlichkeit einer Fremdunterbringung ist hier also um 60 Prozent höher.

Signifikante Unterschiede „nicht erklärbar“

Er verstehe zum Teil, dass es im Großstadtmilieu - in Wien - mehr Kindesabnahmen gibt, so Volksanwalt Günther Kräuter zu Ö1, „aber nicht erklärbar ist, dass es signifikante Unterschiede gibt im Vergleich Tirol, wo relativ wenige Kindesabnahmen sind, zur Steiermark“.

Denn aus menschenrechtlicher Sicht gelte: „Man müsste im Vorfeld versuchen, dass es gar nicht zu Kindesabnahmen kommen muss, denn das gelindeste Mittel ist das vernünftigste und kostengünstigste, und aus menschenrechtlicher Sicht sollen ja die Kinder, wenn irgendwie möglich, bei den Familien bleiben“, so Kräuter. Demnach sollte eher in den Familien durch Erziehungshelfer etwa und durch mobile Betreuung geholfen werden.

Anfragen an die Landesregierungen

Die Volksanwaltschaft will nun durch Anfragen an die Landesregierungen klären, wie die Zahlen zustande kommen, und ob es einen Zusammenhang zwischen wenig Familienhilfe und mehr Kindesabnahmen gibt.

Geld als Grund für Ortswahl vermutet

Im Jahresbericht der Volksanwaltschaft wird aber auch kritisiert, dass viele Kinder weit entfernt von ihren Eltern untergebracht werden, oft in anderen Bundesländern - Besuche würden so erschwert trotz des in der Verfassung festgeschriebenen Rechts auf Kontakt zu den Eltern.

Besonders negativ fallen hier die Steiermark und das Burgenland auf - und da könnte es auch finanzielle Gründe geben. Zitat aus dem Volksanwaltschaftsbericht: „Der Grund scheint ein Zuschlag zu sein, den die privaten Träger im Burgenland für Minderjährige aus anderen Bundesländern verlangen können.“

Personalsituation „alarmierend“

Außerdem kritisiert die Volksanwaltschaft eine teils alarmierende Personalsituation in Wohngemeinschaften und Heimen: Die Betreuer wechseln oft, diese Beziehungsabbrüche belasten die Jugendlichen; außerdem kämen dadurch neue Betreuer ohne Berufserfahrung zum Einsatz, die die Belastungen aber nicht aushalten.

Einheitliche Standards gefordert

„Es gibt einige Bundesländer - unter anderem in Wien -, wo Leute, die noch voll in der Ausbildung stehen, bereits verantwortlich einen Dienst versehen. Das halten wir für hochproblematisch. Wir fordern, dass es einheitliche Ausbildungsstandards gibt, wenn jemand in der Kinder- und Jugendhilfe tätig sein will“, so Volksanwalt Kräuter. Denn dort komme es oft auch zu Gewalt und sexuellen Übergriffen unter Jugendlichen, weshalb die Volksanwaltschaft auch sexualpädagogische Konzepte und Gewaltpräventionsmaßnahmen in allen Heimen fordert.

Liste Pilz meldete sich zu Wort

Peter Kolba, Bürgerrechtesprecher der Liste Pilz, meldete sich zum Thema zu Wort und verwies unter anderem auf einen kritischen Bericht des Rechnungshofes aus 2017. Laut Kolba habe das Justizministerium es vermieden „auch Stellungnahmen der betroffenen Familien einzuholen und auszuwerten“. Die Liste Pilz sammelt unter dem Totel „Tatort Jugendamt“ Beschwerdefälle im Internet.

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